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Reisen und leben mit Iranern
Nachdem mein Freund abreiste, stellte ich mich auf zwei weitere Wochen, alleine, ein. Dass mich weitere sechs spannende Wochen erwarteten, davon war ich nicht ausgegangen. Ich durfte mehrere Wochen bei Iranern wohnen und erhielt einen Einblick in das tägliche Leben.
Esfahan – Meine erste Couchsurfing Host
Die Plattform Couchsurfing wurde von der Regierung gefiltert und gesperrt. Deshalb konnte sie nur über den VPN erreicht werden. Trotzdem gab es sehr viele Hosts, die ihre Couch anboten und es fanden auch in verschiedenen Städten Events und Treffen statt. Ich fand eine super coole junge, sehr selbständige und unabhängige Frau, bei der ich ein paar Tage wohnen konnte. Wir hatten einen tollen und wertvollen Austausch! Ich war sehr froh zu hören, dass sie von ihrer Familie unterstützt wurde und ein selbständiges Leben führen konnte. Es war grossartig solche Geschichten zu hören!
Eine Situation, die mir erst im Nachhinein bewusst wurde, war folgende: An einem Tag hatten wir kein Wasser mehr. Als der Hauswart klingelte und sie die Tür öffnete, versteckte sie sich hinter der Tür und streckte nur den Kopf aus der Tür. Ich fand das irgendwie komisch, aber machte mir nicht weiter Gedanken. Erst Wochen später realisierte ich, dass sie in Shorts und im T-Shirt und ohne Kopftuch in der Wohnung stand, was für mich ganz normal war. Da es sich ausserhalb der Wohnung um öffentliches Gebiet handelte, musste sie sich „verstecken“. Ich hatte mich dann gefragt, was ich zu diesem Zeitpunkt getragen hatte, denn mich hatte der Hauswart auch kurz gesehen.
Supermarkt ohne Luxusprodukte
Die Tage verbrachte ich mit spazieren, Kaffee und Tee trinken und spannenden Gesprächen mit vielen verschiedenen Menschen. Sobald ich einen Supermarkt sah, versuchte ich mein Glück und machte mich auf die Suche nach einem Pflanzendrink, Kokosmilch, Tofu oder anderen Produkten, die ich bisher nicht finden konnte. Egal wie gross der Supermarkt war, andere Produkte waren meist nicht zu finden. Ich realisierte erstmals den Luxus, den wir in der Schweiz geniessen, dass wir uns so ziemlich alles kaufen können, worauf wir gerade Lust haben. Zumindest in den grösseren Städten.
Yoga
Eine Freundin praktizierte regelmässig Yoga und nahm mich in eine Stunde mit. Während ich versuchte, noch ein paar Jungs zu motivieren uns zu begleiten, wurde ich darauf hingewiesen, dass die Lektionen nur für Frauen waren. Natürlich, stell dir mal vor, ein Mann würde die weiblichen Kurven zu Gesicht bekommen.
Die Stunde war auf Farsi und die Lehrerin kurz verwirrt, denn sie sah sich nicht in der Lage, die Stunde in englisch zu halten, was sie auch nicht musste. Meine Freundin übersetzte mir alles was nötig war und am Ende sollte ich zu einer Übung auf Deutsch laut von 1 – 10 zählen. Am Ende der Stunde sendeten mir alle gute Energien für meine Reise.
Shahin Shahr
Meine Host und ein Freund fuhren mit mir an einem Abend nach Shahin Shahr, einer kleinen Stadt ausserhalb Esfahan. Sie war bekannt für die besten Falafel und es war wirklich der beste Falafel, den ich je hatte! Das ganze lief jedoch völlig anders als ich es von Fastfood Restaurants gewohnt war. Wir nahmen ein grosses Brot und füllten es mit allem was zur Verfügung stand. Ungefähr zwanzig verschiedene Töpfe mit Salat, Gemüse und Pickels (in Essig eingelegtes Gemüse) warteten darauf, den Falafel-Bällchen Gesellschaft zu leisten.
Kashan und Abyaneh
Ein Iraner nahm mich mit nach Abyaneh und Kashan. Abyaneh war ein kleines, hübsches, historisches Dorf, das auf dem Weg nach Kashan lag. Das Dorf war stufenförmig gebaut und eines der ältesten im Iran. Heute leben nur noch ungefähr 300 Menschen da. Die hügelige Region um Abyaneh eigne sich gut zum Downhill-Biken.
Auf dem Weg nach Kashan funktionierte etwas mit der Gangschaltung und den Bremsen nicht mehr richtig und wir mussten das Auto in die Reparatur bringen.
Gastfreundschaft
Wir durften bei Verwandten eines Freundes wohnen. Die Familie war sehr nett und gastfreundlich! Wir wurden mit Tee und Früchten empfangen und es wurde ein riesiger veganer Salat für uns zubereitet. Unsere Betten waren ähnlich wie die in Khinaliq in Aserbaidschan. Matratzen auf dem Boden, die dickeren Kissen ähnelten, aber sehr bequem waren.
Mit der Tochter der Familie besuchten wir den Fin Garten und die Untergrundstadt in Kashan. Als ich Garten hörte, stellte ich mir schöne, farbige Blumen und grünes Gras vor. Ich hatte natürlich nicht berücksichtigt, dass wir uns in einer Wüstenregion befanden. Der Garten war trotzdem hübsch und bestand aus Bäumen und Wasser.
Die Untergrundstadt (Underground City Of Nooshabad) wurde erst vor ein paar Jahren entdeckt und ausgegraben. Das Ganze befand sich auf drei Ebenen unter der Oberfläche und ein grosser Teil ist bis heute noch nicht entdeckt.
Wie jeden Tag, mussten wir uns überlegen, wo wir Mittag essen gehen wollten resp. wo es etwas für mich gab. Sie brachten mich in ein Einkaufszentrum in den Foodcourt und waren sich sicher, dass ich da verschiedene Optionen finden würde. Ich war mir auch sicher, Salat oder Pasta gab es da bestimmt. Fehlanzeige. Sogar der Pilz-Burger war nicht vegetarisch und bestand aus Fleisch mit Pilzen. Am Ende wurde für mich eine Pizza mit Gemüse und ohne Käse gemacht.
Das Auto war den ganzen Tag in der Reparatur und wir durften noch eine Nacht länger bei der Familie bleiben. Die Menschen auf der Strasse, die Familie und auch der Automechaniker waren alle sehr nett und hilfsbereit. Um die Wartezeit zu überbrücken, kauften wir einen Plastikball und spielten in einer Seitengasse Fussball. Als wir einen Fussballplatz entdeckten und ich den Vorschlag machte, dass wir da mitspielen könnten, wurde ich wieder einmal darauf hingewiesen, dass das nicht gehe, weil ich eine Frau sei. Frauen und Männer durften nicht auf einem öffentlichen Fussballplatz zusammen Fussball spielen.
Mir war es etwas unangenehm, dass wir von der Tochter der Familie die ganze Zeit unterhalten und bedient wurden. Da wir Haferflocken und Früchte dabei hatten, machte ich uns zum Frühstück einen kalten Porridge. Natürlich wurde uns nicht geglaubt, dass das reichte und es wurde uns zusätzlich Tee, Brot, Marmelade und Käse serviert.
Familienausflug
Die Familie eines Freundes eines Freundes plante einen Ausflug in die Natur und sie nahmen uns mit. Die Mutter war soooo süss. Als wir die Familie trafen, wusste ich nicht richtig wie hallo sagen und blieb einfach im Auto sitzen, schaute aus dem Fenster und sagte „Salam!“. Die Mutter lief dann um das Auto herum, ich stieg aus und sie umarmte mich, als ob wir uns schon länger kannten. Unterhalten konnten wir uns leider nicht ohne Übersetzer.
Anstatt in die Natur fuhren wir dann in einen Park. Der Eintritt war pro Person 500’000 Rial, es gab eine Luxury Hall & Restaurant, eine Anlage zum Roller fahren, einen Spielplatz für Kinder, die Möglichkeit Pingpong zu spielen und ein Café. Im Restaurant gab es für mich eine Suppe und einen Mini-Salat. Zum Glück hatte ich meine Linsen, Kichererbsen, Bohnen und Gemüse Mischung eingepackt.
Nach dem Essen setzten wir uns in ein Café, tranken Tee und einige rauchten Wasserpfeife. Die Mutter war so cool! Auf einmal packte sie ihr Handy aus, spielte laute Musik und tanzte sitzend dazu. Da praktisch keine Menschen da waren, konnten wir auch unseren Schleiern eine Pause erlauben.
Beim verabschieden umarmte mich die Mutter wieder und meinte „i love you“. Das war das einzige, was sie auf englisch sagen konnte, so süss!
Visum verlängern – Erster Versuch
Die Handhabung bei Visumverlängerungen war in jeder Stadt unterschiedlich. Am 11. November 2017 wollte ich in Esfahan mein Visum verlängern, welches am 18. November 2017 auslief. Weil ich in den Süden reiste und mir sicher sein wollte, dass ich länger, als nur noch eine Woche im Iran bleiben durfte, versuchte ich, das Visum vorzeitig zu verlängern.
Beim Visa Office (Polizei) musste ich meinen Pass zeigen, meine Tasche abgeben und durch den Vorhang verschwinden. Dort wurden meine Angaben notiert, ein Bodycheck durchgeführt und dann stand ich da auf einem Platz und hatte keine Ahnung was ich machen musste. Ein netter junger Herr meinte, er könne Englisch und mir helfen. Er fragte bei einem Schalter nach und alle liessen mich vor. Es passierte oft, dass die Menschen den Touristen den Vortritt liessen. Das war einerseits sehr nett, aber immer mit einem sehr schlechten Gewissen meinerseits verbunden.
Der Polizist fragte mich ungläubig, ob ich alleine reiste. Ich sagte ja und ergänzte, dass ich einen Freund in Bandar Abbas treffen werde. Da mein Visum noch eine Woche gültig war, konnte er es nicht verlängern. Ich sollte 1-2 Tage vor dem Ablauf nochmal kommen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als nach Bandar Abbas zu fahren und mein Glück da zu versuchen.
Fahrt nach Bandar Abbas
Ein Freund fuhr mich zum Bahnhof und begleitete mich zum Gleis. Ich fuhr mit dem Nachtzug von Esfahan nach Bandar Abbas, in den Süden. Als ich den Wagen betrat, war ich sehr froh, dass ich ein Ticket in einem Frauenabteil hatte. Denn es schauten mich ein paar Männer, aus einem anderen Abteil, mit komischen Blicken an. Einer grinste und sagte etwas von Tourista oder so. Mir war da nicht ganz wohl.
Die persischen Zahlen auf meinem Ticket konnte ich lesen und suchte mein Abteil. Als ich meinte, es gefunden zu haben, wurde ich zwischen zwei Wagen hin und her geschickt, weil niemand wirklich wusste, wo ich hin musste. Am Ende stand mein Freund, der das Ganze von draussen beobachtete, im Zug und brachte mich zum richtigen Abteil.
Die Fahrt dauerte 14,5 Stunden und das Ticket kostete 791’000 Rial. In meinem Abteil waren wir zu viert, es gab Tee, Snacks, zwei Fernseher und die Sitze konnten zu Betten umfunktioniert werden, so dass ich gut schlafen konnte.
Bandar Abbas
Um 10 Uhr kam der Zug in Bandar Abbas an. Mit dem Sammeltaxi fuhr ich in die Stadt und holte bei einem Hotel zur Sicherheit eine Visitenkarte. Manchmal wurde bei der Visumverlängerung nach der Unterkunft gefragt. Da ich nichts gebucht hatte, dachte ich, dass ich zur Sicherheit eine Visitenkarte dabei haben sollte. Im Nachhinein hatte ich gesehen, dass eine Nacht 135 Dollar in diesem Hotel kostete, also mein Budget für 9 Nächte oder so.
In Bandar Abbas war es heiss und die Luft war feucht. Ich schwitzte richtig. Da ich nicht wusste, wie lange die Visumsgeschichte dauerte, machte ich mir mein Müsli auf einer Bank.
Danach fand ich ein Taxi. Genauer, einen Mann mit einem Auto. Der war kein Taxi, zumindest kein Offizielles. Englisch konnte der gute Herr auch nicht. Zum Glück hatte ich einige iranische Nummern. Also rief ich einen Freund an und bat ihn, dem Taxifahrer zu erklären, wo er mich hinbringen sollte. Es war immer sehr interessant zu beobachten, wie lange Iraner sich unterhielten, wenn es doch nur eine Frage zu beantworten gab. Falls ich wieder einmal in den Iran reisen werde, möchte ich einen kurzen Sprachkurs besuchen. Denn die Sprache klingt sehr schön und es interessiert mich, wie sie funktioniert und was der Hintergrund der langen Ausführungen ist.
Als ich bei der Polizei, die Visumangelegenheiten bearbeitete, ausstieg, gab der Fahrer mir seine Nummer. Zum Glück, wie sich später herausstellte.
Visum verlängern – Zweiter Versuch
Bei der Polizei hiess es „give me your passport“, „mobilephone“. Mein Telefon hatte ich ausgeschaltet und abgegeben. Und mein ganzes Gepäck ebenfalls. Mir wurde gesagt, dass ich nur den Pass brauchte. Mit diesem musste ich zu einem Schalter. Ein Mann, der relativ gutes Englisch sprach, bediente mich. Die zwei anderen Personen, die vor mir da waren, mussten wieder einmal warten.
Der Polizist wollte wissen, wie lange ich verlängern wollte und ob ein Monat reichen würde. Er wies mich darauf hin, dass ich nochmal um 30 Tage verlängern könnte und maximal ein Aufenthalt von 90 Tagen möglich war. Dann schrieb er mir die Bankkontonummer bei der Melli Bank und den Betrag, 34’500 Toman (CHF 10.00), auf einen Zettel. Ich musste zur Bank, den Betrag einzahlen und mit der Quittung zurückkommen.
Zusätzlich brauchte ich noch zwei Passfotos. Natürlich war ich ausgerüstet und hatte Passfotos dabei. Der Polizist schmunzelte dann und meinte, dass ich Passfotos mit einem Kopftuch bräuchte. Das war für mich nicht ganz verständlich, denn in meinem Pass und auf dem ersten Visum war ich auch mit meiner vollen Haarpracht zu sehen. Die Antwort auf meine Frage, wo ich Passfotos machen konnte, hatte ich nicht verstanden.
Passfotos und Einzahlung
Zurück beim „Empfang“ stand ein Iraner, der für einen Asiaten ein Visum beantragte. Wir hatten uns kurz unterhalten, er fragte mich, was ich machen müsse und schrieb mir ein Fotogeschäft auf einen Zettel, inkl. Beschreibung in Farsi. Zusätzlich schrieb er auch noch auf, dass ich zur Bank musste. Er war etwas erstaunt, dass ich alleine da war. Zum Glück hatte ich die Nummer von meinem Fahrer, denn Taxis gab es da draussen nicht. Der Mann rief meinen Fahrer an und organisierte alles. Er gab mir dann noch seine Nummer, falls ich ein Problem hätte.
Mit dem Zettel stieg ich ins Auto und ich wurde zum Fotogeschäft gefahren. Da musste ich etwa eine halbe Stunde warten, weil noch neun Personen vor mir da waren und ich ausnahmsweise nicht bevorzugt behandelt wurde. Um 12.30 Uhr rief mich der andere an und informierte mich, dass das Immigrationsbüro in 30 Minuten schliesse. Das war nicht gut, denn ich wollte weiter nach Hormoz. Also hoffte ich, dass das alles irgendwie klappte. Für das Foto hatte der Fotograf mir das Kopftuch noch zurecht gezogen, ich war wohl zu freizügig.
Danach war alles nicht mehr in der üblichen iranischen Gelassenheit machbar. Um 13.05 Uhr waren wir wieder bei der Polizei. Die Türen waren noch offen, der Polizist meinte aber: „it took a long time?!“ Ich gab ihm meinen Pass und die Fotos. Er benötigte noch eine Pass- und eine Visumskopie. Die waren im Rucksack. Also lief ich nochmals raus und kam mit den Kopien zurück.
„Your address?“ Zum Glück hatte ich mir eine Visitenkarte besorgt. Die war aber natürlich auch im Rucksack. Also lief ich nochmals raus und kam wieder zurück. Danach fragte er: „Are you single or married?“ Ich zeigte ihm meinen Finger mit dem Ring (Modeschmuck) und lachte. Dann fragte er weiter: „What is your favorite sport?“ Warum zum Teufel wollte er wissen, was für Sport ich mochte? Ich antwortete mit einem fragenden Blick: „Äm…. Yoga. And badminton. Why?“ Darauf war seine Antwort: „She thinks you are thin. She wants to be like you and wants to know what she can do“, und zeigte auf seine Kollegin. Sie lachte.
Ich hatte die beiden dann darauf aufmerksam gemacht, dass ich vegan esse und dass die Ernährung auch wichtig sei. Nach dem ich erklärt hatte, was vegan war, waren sie erstaunt und ich denke, sie dachten, dass ich nichts essen konnte und deshalb nicht dick war.
Danach bekam ich mein Visum bis zum 19.12.2017, es wurde, ab Auslaufdatum, um einen weiteren Monat verlängert. Yes!! Weitere vier Wochen in einem spannenden Land und mit tollen Leuten.
Hinweis: Ein Schweizer Paar konnte das Visum ohne Probleme in Shiraz verlängern.
Hormoz Island
Zurück in der Stadt, traf ich mich mit einem Deutschen, den ich am ersten Wochenende in Teheran kennengelernt hatte. Er hatte seinen Urlaub spontan verlängert, weil es ihm im Iran auch so gut gefallen hatte. Die Fähre fuhr uns von Bandar Abbas nach Hormoz. Er hatte am Vorabend jemanden getroffen, der ihm seine Nummer gab und meinte, wir sollten auf Hormoz zum Supermarkt fahren, den Besitzer finden und ihm dann anrufen. Er hätte einen Ort, wo wir übernachten konnten.
Auf Hormoz brachte uns ein TukTuk zu einem Supermarket. Wir hofften, dass es der einzige war, denn verständigen konnten wir uns wieder einmal nicht. Beim Supermarkt waren ein paar Männer. Sie setzten uns in das Restaurant neben an und meinten, wir sollten warten. Irgendwann kam ein Mann und fuhr uns zu einem Haus in der Nähe. Er klopfte an die Tür, ein anderer Mann öffnete und bat uns herein. Dieser packte seine Sachen aus allen Räumen zusammen, übergab uns die Schlüssel und verschwand.
Wir schauten uns an und realisierten, dass wir nun ein ganzes Haus für uns hatten. Sein Haus (Tel. für Reservationen +98 939 501 63 93). Zwei Zimmer, eine Küche, ein Bad und ein Wohnzimmer. Wow! Und noch unglaublicher war der Preis. 800’000 Rial für zwei Personen und zwei Nächte. Wir gaben ihm dann 1 Million und dafür beschenkte er uns am Ende mit einem Bild, einer aus Palmenblättern geflochtenen Tasche und einer Unterlage zum Essen. Natürlich musste mein Freund alles mit nach Hause nehmen, denn ich bin ja auf Reisen und schon mit 25 Kilo unterwegs.
Essen auf Hormoz
Ich hatte immer einen Zettel dabei, auf dem auf persisch geschrieben stand, was ich nicht esse und was nicht. In einem kleinen Restaurant kochten sie für uns verschiedenes Gemüse zum Nachtessen. Wir fanden dann noch heraus, dass am Mittag Fischzeit und am Abend Falafelzeit war. Am Mittag etwas zu essen zu finden, war für mich somit unmöglich. Ich war froh, hatten wir eine Küche und konnten uns jeweils Bohnen und Gemüse kochen und Tomaten und Gurken dazu geniessen.
Am zweiten Tag, nach dem Frühstück, holte uns der Besitzer des Hauses ab und brachte uns zu einem Shop, wo wir Ein-Gang-Fahrräder mieten konnten. Mit diesen fuhren wir den ganzen Tag um die Insel. Die Insel war ein Traum. Die Berge, der Sand und die Strassen waren so schön farbig. Weiss, hell- und dunkelgrün oder verschiedene Rottöne färbten die Insel.
Es war mega heiss und ich entschied irgendwann, im T-Shirt zu fahren. Wir sahen fast keine Menschen und wenn, waren es Touristen. Irgendwann wurden wir von Fliegen verfolgt. Zeitweise war es ein ganzer Schwarm, sicher 100 Fliegen. Ich zog mir dann mein Shirt über das Gesicht, um mich zu schützen. Als wir einen Schattenplatz fanden und Früchte assen, überliessen wir den Fliegen die Resten und konnten, mehr oder weniger alleine, weiterfahren.
Irgendwann fanden wir ein gemütliches Plätzchen am Wasser. Weit und breit war niemand, nur das Meer, hohe Steine und wir. Wir entschieden, ich verbotenerweise, uns eine Erfrischung zu gönnen. Mein Freund mit Unterhosen und ich mit Leggins und dem Bikinioberteil. Diese verbotene Erfrischung war die beste meines Lebens. Verboten deshalb, weil es Frauen nicht erlaubt war, in der Öffentlichkeit zu baden und schon gar nicht, wenn Haut zu sehen war.
Am Abend schauten wir uns das Portugiesische Schloss an und suchten ein Restaurant, welches wir auf der Karte gesehen hatten. Wir konnten es nicht finden und fragten einen Mann. Dieser verstand uns nicht, führte uns aber zu einem Haus. Da befand sich kein Restaurant. Er brachte uns zu einem anderen Haus. Einer Gallerie. Eine Frau führte uns in ihr Haus und rief den Gallerie-Besitzer an. Dieser sprach englisch, fragte was wir essen wollten und leitete das der Frau weiter. Wir schauten uns seine Gallerie inkl. einem englischen Erklärungsvideo an und danach stand unser Nachtessen (frisches Gemüse, Brot und etwas ähnliches wie Oliven) bereit. Wir waren wieder einmal total verblüfft von der Gastfreundschaft und der Unterstützung der Menschen überall!
Artmuseum Dr. Nadalian
Die Gallerie verriet uns, dass der Künstler in Europa lebte und studierte. Er wollte die Natur verstehen und besser kennenlernen und entschied eines Tages, mit der Familie ein paar Jahre in einem Zelt in der Natur zu wohnen. Er machte spannende Dinge und lernte Frauen und Kindern verschiedene Tätigkeiten wie malen oder Taschen flechten, damit sie Produkte herstellen und verkaufen und sich so ihr Leben finanzieren konnten. Weitere Infos findest du hier.
Bevor wir abreisten, besuchten wir noch das portugiesische Schloss bei Tageslicht und brachten der Frau, die am Vorabend für uns kochte, eine Postkarte um nochmal danke zu sagen. Die Kommunikation mit unserem Vermieter erfolgte über meinen Freund und per SMS. Sie vereinbarten eine Zeit für den nächsten Tag, damit wir um 15 Uhr die Fähre nach Queshm nehmen konnten. Wir waren gespannt, ob das klappte, aber natürlich klappte es, wie immer.
Queshm
Bei der Ankunft hatten wir uns richtig fremdgeschämt. Vor uns hatten zwei Holländer das Schiff verlassen. Sie waren bekleidet in einer kurzen Badehose und einem Tanktop. Wir trauten unseren Augen nicht, denn wir waren immer noch im Iran und eine solche Kleidung war respektlos.
Übernachtet hatten wir im Lard Guesthouse. Die Menschen waren sehr freundlich und das Guesthouse gemütlich. Es gab innen und aussen einen Aufenthaltsbereich und es bestand die Möglichkeit, Essen zu bestellen.
An einem Vormittag fuhren wir ins Stars Valley (Tal der Sterne, hier müsse der Sternenhimmel der Wahnsinn sein bei Neumond). Die Landschaft war sehr eindrücklich. Sie wurde und wird durch Wind und Regen ständig verändert und sieht deshalb nie gleich aus.
Zur Mittagszeit waren wir wieder im Guesthouse, hatten aber nicht wirklich Zeit, etwas zu essen. Ich machte mir einen Porridge, mit einer extra Portion Leinsamen und Früchten. Danach fuhren wir zu einem Canyon. Kurz bevor wir da waren merkte ich, dass in meinem Bauch eine Explosion statt fand. Wir stoppten zum Glück bei einer Toilette und danach dachte ich, dass es besser war. Wir fuhren ein paar Minuten weiter und dann musste der Fahrer stoppen und ich mich übergeben. Ich hoffte, dass nun alles raus war und wir liefen Richtung Canyon. Ich war recht geschwächt und mir war immer noch schlecht.
Die Leinsamen hatten am Mittag keine Zeit zu quellen und taten dies dann in meinem Magen. Der Plan war, noch zu den Mangroven zu fahren. Mein Freund meinte, wir sollten besser nach Hause fahren. Ich wollte ihm aber nicht die Tour versauen und zurück wäre es auch noch eine längere Strecke gewesen. Also fuhren wir zu den Mangroven. Ich wartete in, auf und ausserhalb der Toilette auf ihn.
Um 18 Uhr legte ich mich sehr geschwächt ins Bett und hoffte, dass am nächsten Morgen alles wieder gut war.
Natürlich fühlte ich mich am nächsten Tag nicht besser. Da ich keine Nahrung im Magen hatte, fehlte mir die Energie. Ich war den ganzen Tag nur herumgelegen und hatte versucht zu essen. Mein Freund und die Leute vom Hostel hatten sich sehr lieb um mich gekümmert. Zum Mittag hatten sie ein paar Kartoffeln gekocht und Tomaten und Essiggurken geschnitten. Nach einer Kartoffel war die Energie wieder aufgebraucht. So schlapp hatte ich mich noch nie gefühlt. Zum Glück schaffte ich es um 15 Uhr zum Bus nach Yazd.
Der ursprüngliche Plan war nach Kerman zu reisen. Da es Wochenende war, waren bereits alle Tickets ausverkauft. Yazd war eine gute Option, denn uns beiden hatte Yazd beim ersten Besuch sehr gefallen. In Yazd hatten wir auch noch einen Iraner getroffen.
Yazd
Als wir, Mitte November, frühmorgens Yazd erreichten, hatten wir einen Temperaturschock! Im Süden war es um die 30 Grad und in Yazd nur noch ein paar Grad über der Nullgradgrenze. Es war wirklich arschkalt! Meine Begleitung wollte das Sommerfeeling mitnehmen, hatte aber seinen Entscheid, mit Flipflops zu reisen, an diesem kalten Morgen sehr bereut.
Wir fuhren zum RestUp Hostel, einem traditionellen iranischen Haus mit Innenhof. Mohsen und seine Familie waren sehr freundlich und aufmerksam und wir hatten uns sehr wohlgefühlt bei ihnen. Später stiess noch ein iranischer Freund dazu. Den Tag verbrachten wir mit Falafel essen, spazieren und die Stadt auf uns wirken lassen. Weil es Freitag (iranischer Sonntag) war, waren die Strassen ruhig und leer und viele Shops geschlossen. Den Abend liessen wir im Guesthouse mit der Familie und Musik ausklingen.
Der nächste Tag war der Abreisetag meines deutschen Freundes. Es ging ihm gar nicht gut, denn er hatte starkes Magenbrennen. Anscheinend war das Essen, was die Familie am Vorabend gekocht hatte, und die Kombination mit Schwarztee nicht gut. Die Iraner kannten dieses Phänomen und dachten, dass es normal sei. Anstatt die Ernährung umzustellen oder darauf zu achten, dass keine ungesunden Kombinationen zu sich genommen wurden, nahmen sie ein Medikament, und dachten, dass das Problem gelöst ist. Das ist in meinen Augen jedoch der falsche Ansatz.
Meinem Freund hatten die Tabletten dann allerdings geholfen und er konnte die Reise Richtung Flughafen antreten.
Der Iraner und ich schlenderten durch die Stadt und überlegten, wohin wir noch fahren konnten. Kerman war immer noch auf meiner Liste. Am nächsten Tag war wieder ein Feiertag. Dies bedeutete, dass vieles geschlossen und viele Busse ausgebucht waren. Wir entschieden uns, nach Shiraz zu fahren. Genau, in die Stadt, in die ich nie mehr zurückkehren wollte (warum findest du im Bericht „Welcome to Iran„). Ich dachte aber, dass es mit einem Einheimischen anders sein würde und gab Shiraz eine zweite Chance.
Feiertage
Es gab übrigens in den zwei Monaten, welche ich im Iran verbrachte, fast mehr Wochenenden und Feiertage als normale Tage. Immer wenn ein Imam geboren wurde, gestorben war oder sonst etwas passierte, war das ein Feiertag. Schade gab es bei uns nur einen Jesus 😉
Hitchhiking
Ich hatte gehört, dass Iran das beste Land für Hitchhiking (Autostopp) war. Also machte ich den Vorschlag, dass wir nach Shiraz hitchhiken konnten. Meine Begleitung traute dem aber nicht so, obwohl ich einige Tipps erhalten hatte. Wir hätten einen dicken Stift und Karton benötigt, uns an Tankstellen oder an geeigneten Strassen hinstellen sollen und wären bestimmt gut nach Shiraz gekommen. Wir hatten uns dann aber für den Nachtbus entschieden.
Shiraz
Als wir Shiraz erreichten, war es noch dunkel und wir warteten in der Wartehalle, bis die Sonne aufging. Zum Frühstück machte ich uns Porridge und irgendwann liefen wir los. Natürlich waren die Taxifahrer immer noch dieselben wie vor ein paar Wochen. Aufdringlich und irgendwie aggressiv. Ich wusste nicht, ob sie einen anderen Dialekt sprachen oder warum mir die Menschen in Shiraz nicht sympathisch waren. Die ganze Art ging für mich überhaupt nicht.
Taxifahrt
Meine Begleitung unterhielt sich mit einem Fahrer und wir beschlossen, mit einem Taxi zur pinken Moschee zu fahren, weil er diese noch nie gesehen hatte. Die beiden unterhielten sich während der ganzen Fahrt und ich sah auf der Karte, dass wir an der pinken Moschee vorbei fuhren. Mein Freund dachte zu erst, dass mein iPhone vielleicht etwas falsch anzeigte. Irgendwann stoppte das Auto und der Fahrer erzählte etwas von Bazar und anderen Orten. Mein Freund machte ihn darauf aufmerksam, dass wir zur pinken Moschee wollten. Anscheinend hätte er vergessen, wo wir hin wollten und als wir ausstiegen, wollte er mehr Geld. Mein Freund sagte etwas, das den Taxifahrer ein wenig aufbrachte und wir bezahlten.
Ich wollte natürlich wissen, was er dem Taxifahrer sagte und er meinte, er hätte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass das nicht die feine Art sei, Geld zu machen, in dem Touristen verarscht werden. Und, dass Gott es ihm zeigen werde. Das sei ein Satz, den die meisten fürchten.
Die Besichtigung der Moschee war leider nicht möglich, weil ein heiliger Feiertag war.
Ausflug mit Schrecken
Wir fuhren zum Grab von Saadi, einem bekannten iranischen Dichter. Ich hatte aber keine Lust mehr, wieder 200’000 Rial zu bezahlen, denn die Dichter interessierten mich ehrlichgesagt nicht. Wir fanden eine Bäckerei mit unendlich vielen Leckereien und deckten uns ein. Sogar ein Roggenbrot gab es da! Wir entschieden uns bald, ein Snapp zu bestellen und zurück zu fahren.
Während wir auf den Fahrer warteten, setzten wir uns, ohne herumzuschauen, auf eine Kette, die eine Einfahrt absperrte. Und dann, plötzlich: Bämm! Wir lagen auf dem Boden. Die Kette war gerissen. Wir lachten wie kleine Kinder, hängten die Kette wieder ein und standen daneben, als ob nichts passierte.
Wenige Minuten später fuhr ein Polizeiauto heran, ein Polizist kam aus einem Container hinter uns und öffnete die Kette. Wir hatten einen Schock als wir realisierten, wo wir uns befanden. Es hätte sehr gut sein können, dass die uns fragten, was wir hier machten, wie wir zu einander standen oder was weiss ich.
Falls du dich jetzt fragst, was daran so schlimm war. Iranern ist es nicht erlaubt, Beziehungen zu Ausländerinnen zu haben. Wenn die Polizei also eine Ausländerin und einen Iraner zusammen sieht, könnten sie auf die Idee kommen, dass da etwas läuft. Es ist Iranern auch nicht erlaubt, Beziehungen oder Ehen einzugehen mit jemandem, der nicht dem Islam angehört. Sollte eine Beziehung existieren und aufgedeckt werden, kann das Gefängnis für den Iraner bedeuten. Wie bereits im Text über meine kurze Reise nach Aserbaidschan erwähnt, hatte ich einen Iraner getroffen, der im Gefängnis war und nun auf Asyl hoffte. Aus diesem Grund hatte ich immer versucht, den Kontakt mit jeglichen Polizisten zu vermeiden, vor allem, wenn ich mit einem „engeren“ Freund zusammen war.
Wir hatten uns dann langsam vom Ort entfernt und richtig gebetet, dass das Taxi schnell kommen mag. Phuu, das zweite Mal Adrenalin in Shiraz.
Fahrt nach Shushtar
Ich war nun schon seit einigen Wochen im Iran, traf aber immer irgendjemanden und war selten alleine. Die Reise nach Shushtar trat ich alleine an. Das fühlte sich einerseits gut, aber auch irgendwie komisch an. In den Bussen gab es jeweils eine Reihe mit zweier Sitzen und eine Reihe mit Einzelsitzen. Als Frau wurde mir automatisch ein einzelner Sitz im vordere Teil des Busses zugewiesen. Auf der Fahrt erhielt ich von einer Frau Orange, Apfel und Brot und nach einem Stopp von einem Mann etwas in einem Fladenbrot. Die Freundlichkeit war wirklich unglaublich. Oder hast du schon mal einem Touristen im Zug etwas zu essen gekauft?
Der Bus hatte ca. drei Stunden Verspätung. Ich hatte im Vorfeld nichts gebucht und dachte, dass es 21 Uhr, die geplante Ankunftszeit, noch nicht so spät sei und ich gut in Shushtar herum laufen und mir ein Bett suchen konnte. Nun, wir kamen gegen 12 Uhr in der Nacht an. Ungefähr 20 Minuten bevor wir die Haltestelle erreichten, weckte mich einer der Fahrer und hielt mir ein Telefon hin. Ein Freund, der englisch sprach, war am Telefon und fragte, ob der Fahrer mir ein Taxi bestellen sollte. Wow! Das war sehr aufmerksam und ich war mega froh, denn da, wo der Bus mich rausgelassen hatte, war so ziemlich nichts mehr offen um diese Zeit. Ein älterer Mann fuhr mich dann in die Richtung des Hostels, aber zu einem anderen Hotel am Fluss. Der Preis war ok, es war aber recht dreckig. Trotzdem war ich sehr froh, dass ich so schnell etwas gefunden hatte und schlafen konnte.
Shushtar
Beim Frühstück traf ich zwei ältere. Der eine war ein Iraner, der ausserhalb von Teheran lebte und der andere lebte lange in England und nun auf Victoria, Kanada. Victoria müsse ein Paradies sein. Sie reisten zusammen durch den Iran, weil er sein Land sehen und bereisen wollte.
Sie fragten mich, ob ich irgendwelche Probleme hatte auf meiner Reise und meinten, dass ich sehr mutig sei, alleine zu reisen. Ich sollte gut auf mich aufpassen. Und das meinten sie wirklich so, mit einem ernsten Blick. Ich sollte meine Zeit geniessen, aber aufpassen.
Es passierten anscheinend viele komische Dinge im Iran. Da 80% der Bevölkerung arm sei und die meisten mit er Regierung nicht einverstanden seien, laufe vieles schief. Sie erzählten mir, dass arme Leute ihre Organe zum Verkauf anboten. Früher war es bekannt, dass Amerikaner oder Europäer in den Iran flogen, um günstige Organe in sehr guter Qualität zu kaufen. Denn oft waren es junge und gesunde Menschen, die Organe verkauften für 1’000 Euro. Heute sei das aber verboten und werde, nicht mehr so soft gemacht, meinten andere Freunde.
Wie praktisch überall, beklagten sich die Einheimischen über die Regierung. Eine junge Frau sah sehr unglücklich aus und erzählte, dass wenn man vergewaltigt werde und zur Polizei gehe, man dann direkt nochmal vergewaltigt werde. Ich war schockiert. Andere Iraner sagten mir aber, dass es grundsätzlich sehr strenge Gesetze gäbe und das eigentlich nicht sein konnte/sollte. Es komme wahrscheinlich darauf an, in welcher Region was passiere und wer involviert war. Es schien zu sein wie überall.
Spaziergang durch Shushtar
In Shushtar spazierte ich entlang des Flusses und sah von weitem einen Shrine. Die Stadt wirkte recht lebendig und viele Frauen lächelten mich an auf der Strasse. Ich glaube, hier her verirrten sich wirklich nicht sehr viele Touristen. Das Mostofi House, war ein älteres Gebäude mit einem Restaurant und Blick auf den Fluss. Die Angestellten waren etwas aufgeschmissen mit meinem veganen Wunsch. Ich fragte, ob sie mir etwas machen konnten ohne Milch und Fleisch und sie schauten mich ungläubig an. „Du isst kein Fleisch? Nie?“, war dann die Reaktion.
Sie servierten mir Reis mit sehr leckerem Gemüse. Die Jungs konnten nur wenig englisch, aber mit GoogleTranslator konnten wir uns unterhalten. Einer fragte mich dann: „Ihr glaubt wir sind alles Diebe und Terroristen, richtig? Wir lieben den Westen!“ Sie wussten, dass im Westen die Medien den Iran oft schlecht darstellen.
Komischer Kauz
Für die zweite Nacht wechselte ich in ein Hostel, da dieses günstiger sein sollte. Keine Englischkenntnisse, kein Frühstück, kein heisses Wasser und eine sehr schäbige Unterkunft. Hinzu kam der eine Typ, der da arbeitete. Der war zu viel. Als ich irgendwann zurück war und in mein Zimmer wollte, fragte ich nach dem Schlüssel. Er konnte wirklich kein einziges Wort englisch. Mit einer App, die vorgefertigte Sätze in englisch sprach, wurde ich gefragt: „Can I have your number?“. Ich schaute ihn ungläubig an und sagte nein. Dann nochmal: „Can I have your number?“. Ich schaute ihn fragend an und sagte nochmal auf englisch „no“ und auf farsi „na“ und schüttelte den Kopf. Mit meinem GoogleTranslator zeigte ich ihm auf Farsi, dass ich ihm meine Nummer nicht gebe und wies ihn auch noch darauf hin, dass wir uns nicht unterhalten konnten.
Er fragte dann nach meiner E-Mailadresse. Irgendwann hielt ich meine Hand mit dem Ring am Finger sehr auffällig hin, in der Hoffnung, dass er kapierte, dass ich vergeben war. Vielleicht brauchte er eine Brille, denn den Ring schien er nicht gesehen zu haben. Ich wartete also immer noch auf meinen Schlüssel.
Das Spiel mit der App ging weiter. „I like you“. „You are beautiful“. „Can I have your number?“. Schrecklich. Ich zeigte ihm dann auf Farsi „i have a boyfriend“. Klar, ich hätte sagen sollen, dass ich verheiratet war. Zudem zeigte ich ein Foto meines Schweizer Freundes, mit welchem ich die ersten zwei Wochen unterwegs war. Ich wusste, dass er den Iranern gefiel, denn er wurde auch schon angesprochen, ob er modelte. Diesen Typen konnte ich damit jedoch nicht beeindrucken. Ich versuchte zwei iranische Freunde anzurufen, dass die ihm vielleicht klar machen konnten, dass ich keinerlei Interesse an ihm hatte. Leider war genau jetzt niemand erreichbar. Nach ungefähr 15 Minuten bekam ich dann endlich meinen Schlüssel.
Als ich die Story einem iranischen Freund erzählte, wurde der richtig wütend und wollte mit dem Typen telefonieren. Eine Freundin meinte, dass in Shushtar nicht so viele Touristen seien und die Menschen da etwas anders tickten.
Bewässerungssystem
Shushtar war bekannt für das Bewässerungssystem. Seit 2009 wird dieses auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes geführt. Das System bestand aus verschiedenen Mühlen, die durch das Wasser angetrieben wurden. Früher wurde hier zum Beispiel Mehl gemahlen. Weitere Informationen findest du hier.
Direkt nach dem Ticketkauf startete eine Tour mit ein paar anderen Touristen und ich konnte mich anschliessen. Danach gingen ein deutsches Paar, der Guide und ich zusammen einen Tee trinken und die Frau und ich, durften uns den Coiffeur Salon der Frau des Guides ansehen. Der erste Coiffeur Salon den wir sahen! Denn auf der Strasse waren nur Salons für Männer zu sehen. Warum? Weil die Frauen beim Haareschneiden natürlich kein Kopftuch tragen und die Männer das nicht sehen durften.
Genaugenommen war Coiffeur der ideale Beruf für Frauen. Die Türen waren verschlossen und keine Frau trug ein Kopftuch (auf dem Foto waren wir kurz vor dem verlassen des Salons). Leider sprach nur eine der vier Frauen englisch und sie musste immer übersetzen. Die Deutsche liess sich die Haare schneiden und alle waren total begeistert.
Geld wechseln
Um 20 Uhr suchte ich die Wechselstube, denn ich hatte kein Geld mehr. Es gab anscheinend nur einen Ort und der war am Mittag geschlossen und öffnete erst um 17 Uhr. Um 20 Uhr war dann aber auch wieder geschlossen. Ich stand auf der Strasse und versuchte herauszufinden, wo ich Geld wechseln konnte. Ein englisch Sprechender half mir und jemand meinte, wir sollten in den Shop hinter der Strasse kommen. Er tätigte einen Anruf und organisierte jemanden, der mir zum offiziellen Kurs Geld wechseln würde.
Ich dachte, es komme ein Privater und wechselte mir Geld. Und natürlich war ich skeptisch. Denn auf der Strasse und in der Dunkelheit Geld wechseln, war vielleicht nicht die beste Idee. Wir warteten. Eine Stunde später kam eine Frau und öffnete den Exchange Service extra nochmals für mich!! Das konnte ich nun also wirklich nicht glauben! Sie kam extra nochmal zurück und es war sogar der beste Kurs den ich je bekam. 4900 Toman für 1 Euro.
Shushtar – Shush – Ahvaz
Mein nächstes Ziel war Ahvaz. Mit den zwei Deutschen wollte ich am Nachmittag mit dem Bus von Shushtar nach Ahvaz fahren. Ein paar Stunden, bevor wir los wollten, rief mich ein Iraner an, den ich auf meiner Reise getroffen hatte. Er sah in meinem Whatsapp-Status das Bild von Shushtar und meinte, dass er 30 Minuten von mir entfernt sei. Ich soll nach Dezful fahren und wir könnten zusammen via Shush nach Ahvaz fahren. Er wohnte in Ahvaz.
Mit dem Taxi fuhr ich zur Busstation in Shushtar. Das Busticket kostete 30’000 Rial nach Dezful für 40-60 Minuten Fahrzeit. Der Bus sollte in 30 Minuten fahren. Nach 50 Minuten war noch kein Bus da. Niemand verstand mich und das ging mir genauso. Ich rief meinen Freund an und er klärte alles mit einem Mann an der Busstation. Der Bus fuhr erst wenn er voll war. Vielleicht auch gar nicht. Also organisierte mein Freund mir ein Sammeltaxi, das 10 Minuten später fuhr und 50’000 Rial mehr kostete. Dieses teilte ich mit zwei Mädels und einem Mann.
In Dezful trafen wir uns. Er schrieb auf ein Stück Karton wohin wir wollten und dann stellten wir uns an die Strasse. Nach wenigen Minuten nahm uns ein Auto mit nach Shush.
Shush
Diese Stadt ist eine der ältesten Städte der Welt! Hier lebten einige der ersten Einwohner weltweit. Obwohl ich das alles total faszinierend fand, war es für mich schwierig, mir das Leben und die Gebäude vor so vielen Jahren vorzustellen. Da ich nicht wahnsinnig gut darin bin, mir die Geschichte zu merken, verweise ich dich hier auf Wikipedia. Falls dich Geschichte interessiert, ist Shush (Susa) bestimmt spannend.
Das Castel war über 5000 Jahre alt und das Gelände riesig. Es gab 20 Meter hohe Säulen und viel Stein, unter dem ich mir nicht sehr viel vorstellen konnte. Ich war froh, dass uns jemand durch das Gelände führte und uns Informationen gab. Es laufen immer noch Ausgrabungen. Bis heute sei aber klar, dass nach jeder Zerstörung wieder eine Stadt darüber gebaut wurde. 15 unterschiedliche Städte, aus verschiedenen Zeiten, wurden bereits entdeckt.
Einer der grössten Flüsse fliesse durch die Region. Das ganze Jahr sei bestes Wetter und ein gutes Klima, was einen ganzjährigen Anbau ermöglich. Der Boden sei sehr fruchtbare und die Region reich an Öl. Leider werde aber nicht in diese Region investiert.
Fahrt nach Ahvaz
Wir stellten uns wieder an eine Strasse und nach wenigen Minuten nahm uns ein Auto mit nach Ahvaz. Einmal übersetzte mir mein Freund, dass der Fahrer wissen wollte, ob wir auch Bauern haben in der Schweiz und was wir für Gemüse anpflanzten. Ob wir Knoblauch und Zwiebeln anpflanzen?
Die beiden hatten sich unterhalten und ich war im Nachhinein froh, nichts von dem Gespräch verstanden zu haben. Anscheinend handelte es sich dabei um einen, der gegen die IS (wird im Iran „Daisch“ genannt) kämpfte in Syrien und komische Dinge erzählte.
10 Kilometer vor Ahvaz liess er uns raus und wir brauchten einen neuen Fahrer. Mittlerweile war es schon dunkel und ich dachte, es könnte schwieriger werden, einen zu finden. Nix da, wir waren im Iran! Eine Minute später hatte ein junger sympathischer Araber angehalten und uns nach Ahvaz gefahren, obwohl das überhaupt nicht seine Richtung war!
Eine Freundin hatte mir die Nummer ihres Onkels in Ahvaz gegeben und wir wollten uns treffen. Leider kam es nicht dazu, weil ich komplett verplant wurde.
Couchsurfing Ahvaz
In Ahwaz fand eine Couchsurfing Diskussionsrunde in englisch statt, zum Thema „violence against women“. Meine Hitchhike-Begleitung nahm mit seinen Freunden regelmässig teil und so gesellten wir uns auch zu der Runde. Es waren Interessante Menschen mit spannenden und verschiedenen Ansichten anwesend.
Ehe und Scheidung
Ein Punkt, der thematisiert wurde, war, dass Frauen sich im Iran nicht scheiden lassen konnten. Der Mann musste zustimmen, ausser, es wurde im Ehevertrag anders vereinbart. Im ersten Moment klang das etwas nach Mittelalter, war aber in der Schweiz vor 50 Jahren auch so. Wahrscheinlich noch länger. Ich weiss nicht wann das Gesetz angepasst wurde, dass der Mann nicht mehr als das Oberhaupt der Familie galt. Was hingegen anders war im Iran war, dass die Frau anscheinend umgebracht werden konnte, wenn sie sich, gegen den Willen des Mannes, scheiden lassen wollte.
Auch interessant war der Punkt „Ehe“. Einige waren der Meinung, dass wenn man eine Ehe eingehe, sich beide Partner dazu verpflichten, das ganze Leben zusammen zu bleiben. Das sei die Pflicht, die bei der Eheschliessung eingegangen werde. Natürlich gab es auch ganz klar andere Ansichten.
Ich meinte dann, dass eine Ehe für beide Partner stimmen sollte. Wenn einer oder beide nicht mehr glücklich seien, dann sollte die Ehe auch nicht erzwungen werden. Kein Tag sei gleich und jeder Mensch verändere sich täglich. Wenn zwei unterschiedliche Entwicklungen statt finden und das Miteinander nicht mehr stimme, dann sollte die Beziehung in allem Anstand und mit Respekt beendet werden können. Egal in welchem Alter und mit oder ohne Kinder. Wenn alles mit Respekt geschieht, dann sehe ich überhaupt kein Problem. Wir sind hier um zu leben und wir sollten glücklich sein und uns nicht in einem Gefängnis fühlen und täglich einen Kampf austragen müssen.
Ein anderer Vergleich war ein Vertrag unter Firmen und Angestellten. Auch hier würden Verträge geschlossen und wenn es nicht mehr geht oder es nicht mehr passt, werden die Verträge aufgelöst und jeder geht einen neuen Weg.
Nach der Diskussion interessierten sich einige für mich, meine Reise und die Schweiz. Ich verteilte meine Schweizer Postkarten und jeder der wollte, durfte eine nehmen, als Andenken. Bei einigen durfte ich noch etwas persönliches schreiben, weil sie eine Erinnerung an mich und den Abend haben wollten.
Ahvaz
Nach dem Treffen fuhren wir zur Falafel-Strasse (Ahvaz war bekannt für die besten Falafel) und assen leckeren Falafel. Danach meinte unser Fahrer, ich könnte bei ihm und seiner Familie wohnen, seine Schwester würde sich freuen, mich kennenzulernen. Ich nahm die Einladung natürlich gerne an und wir fuhren nach Hause. Es gab kein warmes Wasser, weil der Boiler in der Reparatur war. Wir fuhren zur Familie seines Onkels, damit ich da eine warme Dusche geniessen konnte. Wir unterhielten uns mit Übersetzer, es gab Früchte und Tee, alle waren sehr nett und natürlich machten wir ein paar Fotos.
Später hatte mein Host noch einen Auftrag und musste Fotos bei Freunden machen, die iranische Instrumente herstellten. Sie waren zu zweit und spielten mir auf verschiedenen Instrumenten iranische Musik vor. Am Ende wollten sie mir sogar ein handgefertigtes Instrument schenken!! Natürlich hatte ich das Geschenk abgelehnt, denn ich bin auf Reisen und kann die Instrumente auch nicht spielen. Ich bin noch heute sehr gerührt von der Grosszügigkeit der Menschen.
Als wir zu Hause waren, hatten wir sehr interessante und tiefgründige Gespräche über Familie, Vergangenheit, Zukunft, Spirituelles und das Leben. Ich liebe solche Gespräche! Sie erweitern den persönlichen Horizont und sind, meines Erachtens, wahnsinnig bereichernd. Um 6 Uhr, nach knapp 4 Stunden Schlaf, mussten wir wieder aufstehen, weil wir die Wasserbüffel begleiteten.
Wasserbüffel
Wir fuhren mit zwei anderen zu einer arabischen Familie, etwas ausserhalb. Sie hatten rund 100 Wasserbüffel. Als wir ankamen, nahm mich eine Frau an der Hand und führte mich in einen anderen Raum. Da sass eine grosse Familie beim Frühstück. Zwei Kinder schliefen noch, im selben Raum, wie sich andere Erwachsene und Kinder lautstark unterhielten, lachten und frühstückten.
Zum Frühstück gab es selbstgemachtes Brot, Marmelade und Büffelmilch, auf die ich natürlich dankend verzichtete. Mit Händen, Füssen und GoogleTranslate konnten wir uns austauschen. Eine junge Frau konnte etwas englisch und erklärte mir, dass das eine Familie sei und wie sie sich zusammensetzte. Als ich realisierte, dass ihr Cousin auch ihr Ehemann war, musste ich nochmal nachfragen. Bei den Arabern sei das normal, dass der Cousin seine Cousine heiratete. Für mich war das genau so unverständlich wie für sie, als ich ihr sagte, dass das bei uns nicht normal sei.
Wieder einmal realisierte ich mein Glück, frei entscheiden zu können, mit wem ich Zeit verbringe, wen ich heirate und vor allem, dass ich mich frei verlieben durfte!
Nach dem Frühstück wurde die Horde Wasserbüffel in den Fluss geführt. Beim Anblick der Tiere war mir schon etwas mulmig und ich hatte mich meistens hinter den Jungs versteckt. Wasserbüffel haben kein Kühlsystem und müssen deshalb ins Wasser zum kühlen. Im Sommer bleiben sie fast den ganzen Tag im Wasser.
Sightseeing in Ahvaz
Nach dem baden zeigten mir die Jungs verschiedene Brücken und Ahvaz und ich hatte wieder sehr gute Gespräche mit meinem Host. Am Mittag kochte die Schwester meines Hosts Spaghetti mit Soja und Salat und wir zerkleinerten grüne Kräuter mit dem Vater. Das Essen war sehr lecker! Sie war jedoch die ganze Zeit am „mötzeln“, weil ich kein Fleisch ass und sie mir nichts besseres auftischen konnte als die Spaghetti. Das sei kein Essen, das man einem Gast auftischte. Kuchen konnte ich ja auch nicht essen wegen der Milch. Ich liess mir dann erklären, dass das „mötzeln“ eine Angewohnheit der Iraner sei und ich es nicht zu ernst nehmen sollte.
Ach ja, auch in Ahvaz ticken die Menschen wie bei uns, wie das folgende Bild zeigte:
Der eine aus Ahvaz war in einer Umweltorganisation aktiv. Manchmal sammeln sie Müll im Park und erklären den Menschen, dass der Müll in die Tonne gehört und was der ganze Abfall für eine Auswirkung auf die Umwelt habe. In diesem Bereich müsse noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden im Iran.
Wir setzten uns am Nachmittag in den Park, unterhielten uns, tranken Kaffee und spielten Volleyball mit ein paar anderen. Es war schön zu sehen, wie die Menschen sich vergnügen konnten und Frauen und Männer Volleyball und andere Spiele spielten. Es erinnerte mich an Zürich, nur halt mit Kopftüchern.
Am Abend freute ich mich, auf ein paar ruhige Stunden. Als wir zu Hause ankamen, waren bereits das Ash (s. Bild) und verschiedene Beilagen bereit und die ganze Familie des Onkels, die zwei Ehemänner der Töchter und ein Kind zu Besuch. Genaugenommen waren wir 11 Personen. Die Familie sei gekommen, weil sie mich nochmal sehen wollten, bevor ich abreiste. Das Essen war sehr lecker, aber seeeehr schwer und viel zu viel.
Später entdeckte ich die Münzsammlung meines Hosts und wir schauten uns seine Münzen an. Ich habe zu Hause ebenfalls eine Sammlung verschiedener Münzen. Seine Münzen kamen aber mehrheitlich aus ganz anderen Länden und es war interessant, seine Münzen zu sehen. Er hatte auch noch alte iranische Münzen von vor der Revolution.
Kein Copyright
Vor meiner Weiterreise ging ich mit meinem Host zum Bazar und deckte mich mit Datteln, Sesammus, Dattelsirup, Sesam-Cracker und Sesam-Dessert für meine iranischen Freunde und mich ein. Die besten Datteln kamen aus Ahvaz!
Im Iran gab es kein Copyright. Das hiess, sämtliche Software war sehr günstig, nur für ein paar Dollar, zu kaufen. Es gab ganze Shops, die nur legal gefälschte Software verkauften. Powerbanks oder USB-Sticks hingegen waren eher teuer. Dies sei eine Folge der Sanktionen. Alles was die Regierung benutzen könnte, wurde sanktioniert. Also mussten diese Produkte geschmuggelt werden und wurden somit teuer.
Ein besonderes Geschenk
Am Vorabend wurde ich, zum Abschied, von der Schwester mit Socken und Schmuck beschenkt. Sie entschuldigte sich, dass sie mir nichts besseres kaufen konnte, aber weil es Wochenende war, war der Bazar geschlossen. Ich meine, das musst du dir mal vor Augen führen: Ich wohnte zwei Tage bei ihnen, durfte in einem Bett schlafen, sie kochte für mich und er führte mich herum und zum Abschied entschuldigte sie sich? Das war wirklich eine andere Welt. Ich hatte mich jedenfalls sehr über das Geschenk gefreut.
Als ich mit meinem Host meine Einkäufe erledigte, musste er auch noch etwas erledigen. Er fragte einige Leute nach einem Weg, ging in einen kleinen Shop und dann mussten wir eine halbe Stunde warten, bis er etwas abholen konnte. Ich hatte natürlich nie verstanden um was es ging und es ging mich ja auch nichts an. Als wir zurück beim Auto waren, wusste ich was es war. Er schenkte mir eine alte iranische Münze von vor der Revolution. Er liess ein Loch durch die Münze machen und schenkte sie mir als Kette.
Danach hiess es Abschied nehmen. Ich genoss die Tage in Ahvaz sehr und darf einen weiteren tollen Menschen zu meinen Freunden zählen.
Verschiedene Treffen in Teheran
Ich fuhr noch ein paar Mal nach Teheran, um ein paar Leute zu treffen und vegan zu essen. Teheran war nämlich die einzige Stadt, in der ich immer etwas fand und die Menschen den Begriff „vegan“ kannten.
Einmal hatte ich mit einem Iraner abgemacht, dass wir uns in einem veganen Restaurant zum Nachtessen trafen. Dass so etwas existierte, war für ihn genau so neu, wie für die meisten anderen Iraner, die ich getroffen hatte. Da es sich um eine Art Date handelte, wollte ich mich etwas hübsch machen und verwendete mal wieder Mascara und Nagellack. Ich war sehr gespannt und freute mich auf das Essen.
Das Restaurant Zamin befand sich auf der anderen Seite der Stadt und Googlemaps meinte, ich bräuchte 40 Minuten. Ich rechnete mit 1.5 Stunden, denn es hatte sehr viel Verkehr. Mein Versuch, ein Snapp zu bestellen, scheiterte. Keiner wollte in diese Richtung fahren (im Nachhinein war mir auch klar warum). Dann versuchte ich ein Taxi auf der Strasse anzuhalten, was auch unmöglich war. Mittlerweile blieben mir nur noch 45 Minuten. Ein paar Iraner hatten mir geholfen ein Taxi zu finden, das mich zum Restaurant fuhr. Um 17.15 Uhr hatten wir abgemacht. Und um 18 Uhr, fast eine Stunde später, war ich beim Restaurant. Die Stimmung war dann natürlich nicht mehr so prickelnd.
Bestellt hatten wir beide einen Teller mit drei verschiedenen Kebab und Gemüse. Es war lecker, die Konsistenz war für mich aber komisch, wahrscheinlich zu fleisch-ähnlich. Meine Begleitung fragte mich, ob ich sicher sei, dass das kein Fleisch war. Es schmecke wie richtiger Kebab.
Ein Abend bei einer Familie
Ein Geschwisterpaar, welches ich in Shiraz kennengelernt hatte, holte mich in Teheran ab. Beide sprachen nur wenig englisch. Ich dachte, dass sie in Teheran wohnten und mich deshalb abholten. Wir fuhren dann aber 30-40 Minuten aus Teheran heraus, zu ihrer Familie. Ich hatte natürlich ein schlechtes Gewissen, dass sie über eine Stunde nur für mich herum gefahren waren.
Zu Hause wartete ihre Mutter, die mich umarmte und mega freundlich war. Der Vater traute mir wohl nicht so recht. Er konnte auch nicht verstehen wie ich zwei Monate im Iran sein konnte ohne Farsi zu sprechen. Die Mutter, die Tochter und der Bruder waren aber super süss! Ich musste Früchte essen, bis ich fast platzte und wir tranken Tee. Mit Händen und Füssen und GoogleTranslate konnten wir uns unterhalten und hatten einen schönen Abend.
Die Mutter kochte sogar Gemüse für mich. Nur lag mittendrin ein Hühnchen. Es tat mir sehr leid, aber ich konnte das nicht essen. Also wurde ich weiter mit Früchten gefüttert. Am Schluss wurde ich noch beschenkt mit Früchten und Rosinen, einem Armband und einem leckeren Wein. Natürlich hatte ich auch eine Schweizer Postkarte dabei als Geschenk und Dankeschön. Sie hatten sich sehr darüber gefreut.
Das Getränk wollte ich zu erst nicht annehmen, da ich etwas Angst hatte, von der Polizei erwischt zu werden, denn ich war ja mit dem Bus unterwegs. Als ich das einem iranischen Freund erzählte, machte er grosse Augen und war schockiert. Es passierte zum Glück nichts und das Getränk konnte genossen werden.
Vegetarischer Abend
Mit meiner anderen Freundin verabredete ich mich im Ananda vegetarian Restaurant. Wir hatten 19 Uhr vereinbart und ich war pünktlich beim Restaurant. Sie teilte mir nach ein paar Minuten mit, dass sie sich verspätete, wegen dem Verkehr. Das war überhaupt kein Problem. Ich setzte mich ins Restaurant und wartete auf sie. Irgendwann las ich aus den Nachrichten heraus, dass sie mich bei meinem Hostel abholen kommen wollte. Das war ein klassisches Missverständnis. Ich ging davon aus, dass wir uns beim Restaurant trafen und für sie war es normal, mich abzuholen. Das sei im Iran so, wer ein Auto habe, hole die Freunde ab.
Als wir uns gefunden hatten, verbrachten wir einen schönen Abend mit leckerem Essen. Für sie war vegetarisches Essen auch neu und sie meinte, sie könnte ja auch sonst mal in ein vegetarisches Restaurant, denn das Essen schmeckte ihr. Das sei nur nicht üblich bei ihnen und es werde auswärts einfach immer Fleisch gegessen. Ich hoffte, sie inspiriert zu haben.
Esfahan – Picknick im Café
Als ich wieder zurück in Esfahan war, planten meine Freundin und ich, an einem Freitag (iranischer Sonntag), ein Picknick zu machen und sie wollte für mich kochen. Es war zwar etwas kalt, aber mit warmer Kleidung und viel Tee war das möglich. Ich dachte, wir könnten zur Si-o-se Brücke gehen und uns da hin setzen. Die Brücke war am Abend immer schön beleuchtet und es waren einige Leute da.
Als ich den Ort vorschlug, lachte meine Freundin, schaute ihre Kleidung an und meinte, dass da am Sonntag viel Polizei sei und sie so nicht dahin konnte. Ich konnte nicht verstehen, was an ihrer Kleidung falsch war. Geschlossene Schuhe mit einem breiten 3 cm hohen Absatz, schwarze, blickdichte Strumpfhosen/Leggins, ein Kleid, das bis in die Hälfte des Oberschenkels reichte, ein Kopftuch und eine Jacke. Wo war das Problem?
Für Touristen wäre das kein Problem. Für Iranerinnen war das zu kurz, zu eng und zu sexy….
Naja, da die Iraner ja flexibel und nett waren, konnten wir im Café ihres Freundes picknicken. Es gab Salat, Spaghetti mit Gemüse und einer Soja-Bolognese, zum Nachtisch Fruchtsalat und Tee.
DorDor
Später gingen wir zu zweit mit dem Auto los für eine Runde „DorDor“. Übersetzt heisst das rundum. Es gab ein paar Strassen, da fuhren die Jungen am Wochenende herum für DorDor oder CarFlirting. Grundsätzlich fand ich die Idee lustig und süss. Denn für die jungen Menschen, besonders für die Mädels, war es sehr schwierig, einen Mann kennenzulernen mit all den Regeln und Einschränkungen. Autos gab es mehr als genügend und Zeit auch.
Nun, angekommen in der DorDor-Gegend, bekam ich eine Instruktion. Theoretisch wären die Regeln wie folgt:
- Gutes (teures) Auto suchen
- Männer abchecken und wenn ok
- Fenster runter lassen und hoffen, dass er dasselbe tut
- Sind die Fenster unten beginnt ein Smalltalk
- Gefällt die Frau dem Mann, gibt er ihr seine Nummer
Die Regel mit den guten und teuren Autos hatten wir dann in den Gesprächen eliminiert, denn das war zu oberflächlich. Also, los gings!
Da war auch schon ein hübscher Mann (davon gab es im Iran viele!). Meine Freundin liess auf meiner Seite das Fenster runter. Ich wusste nicht was machen und da war sein Fenster auch schon unten. Ich lachte rüber und meinte „Salam! Khubi?“, was so viel bedeutete wie „Hey! Wie geht’s?“. Er antwortete und war im selben Augenblick geschockt, weil er merkte, dass da eine Touristin sass. Die restliche Unterhaltung musste meine Freundin führen. Wir lachten und ich hatte die erste Nummer bekommen.
Wie bereits erwähnt, fand ich die Grundidee von Carflirting eine Gute. Nur, wie überall, ist es natürlich so, dass immer dieselben Typen und Mädels am Wochenende herum fahren und auf Nummernsuche sind. Also wirklich erfolgsversprechend war das nicht.
Ich hatte meiner Freundin vorgeschlagen, am Wochenende in die Einkaufsmeile oder irgendwo hin zu gehen, wo sich auch junge Männer aufhielten. Sie sollte da einen, der ihr gefiel, ansprechen. Ich hielt das für eine bessere Idee als „DorDor“, vergass dabei aber wieder einmal, dass wir im Iran waren. Das sei für Mädels praktisch unmöglich. Man spreche nicht einfach so einen Mann an. Das gehöre sich nicht. Andernfalls könnte man als „leicht zu habendes“ Mädchen gelten.
Wie Männer kennenlernen?
Ganz ehrlich, wo sollten die Mädels denn die Jungs treffen? Parties gab es nicht wirklich. Sport war getrennt, Abends durften Mädels nicht lange draussen sein oder es wurde immer kontrolliert wo sie waren (sogar die Polizei konnte sich einmischen).
Was das Ganze in meinen Augen zusätzlich erschwerte, war der Umgang miteinander. Alle waren sehr nett, aber weil die Jungs und Mädels überall getrennt wurden, war der Umgang untereinander natürlich auch ein ganz anderer, als wir es gewohnt sind. Die erwachsenen Jungen verhielten sich teilweise wie 15 jährige bei uns, dem anderen Geschlecht gegenüber, weil sie es nicht anders kannten. Umarmungen oder küssen in der Öffentlichkeit gab es nicht. Zur Begrüssung gab es meist einem Händedruck.
Ich hatte einmal ein Video gesehen von einer Party, wo jemand 25 Jahre alt wurde. Es war ein Raum mit farbigen Lichtern, ein paar Mädels (vermutlich alles Familienangehörige), er und seine Freundin. Alle zusammen zählten von 25 runter bis null, kreischten und wünschten viel Glück. Die Freundin gab ihm einen Kuss auf die Backe und ich fragte: „ooh, wo ist der Kuss??“. Sie lachten und meinten, das mache man nicht in der Öffentlichkeit. Das war doch ein Paar und sie waren unter Freunden?
Aber sowas gab es sehr oft, sie waren es nicht gewohnt, Körperkontakt und Liebe zu zeigen. Auch wenn sie in den sozialen Medien und Textnachrichten untereinander gerne sehr viele Herzen und Küsschen versenden. Interessant war auch die Wortwahl. Im Persischen gab es keine Unterscheidung zwischen „ich liebe dich“ und „ich mag dich“, für beides wird „duset daram“ verwendet.
Beziehungen und Sex
Noch immer sind Beziehungen verpönt. Es wird erwartet, dass die Menschen heiraten, wenn sie zusammen kommen. Viele Eltern wissen über Jahre nicht, dass ihre Kinder Beziehungen führen. Ein Mädchen muss Jungfrau sein bei der Hochzeit. Sehr häufig wird das auch überprüft! Trotzdem gibt es immer mehr Junge, die Beziehungen führen und auch Sex haben. Manchmal kann es aber passieren, dass einer Hochzeit, auch nach jahrelanger Beziehung, nicht zu gestimmt wird, weil das Mädchen keine Jungfrau mehr ist (weil sie mit ihrem Freund und zukünftigen Ehemann geschlafen hatte).
Die Moralapostel und eine unabhängige Frau
Einmal hatte ich eine sehr coole junge Frau getroffen. Sie kam aus der Region an der pakistanischen Grenze im Osten. Diese Region gelte als „gefährlich“. Touristen wurde davon abgeraten, in diese Region zu reisen. Alle Iraner, die ich gefragt hatte, würden auch nicht weiter als Kerman oder Bam reisen. In dieser Region gab es anscheinend verschiedene Gruppierungen (Mafia), die im ganzen Land gefürchtet wurden. Nun, diese junge Frau stammte aus dieser Region und hatte auch ein etwas anderes Temperament als andere Mädels.
Sie erzählte mir, dass sie an einem Abend mit einer Freundin im Park sass und ein Polizist kam. Er meinte, es sei schon spät und fragte, was sie machten und weshalb sie keinen Mann dabei hätten. Sie fragte zurück, was sein Problem war? Wenn sie mit einem Mann im Park gewesen wäre, hätte er ein Problem wegen dem Mann und wenn kein Mann dabei war, wäre es auch nicht recht?
Danach musste sie ihren Vater anrufen, damit er bestätigen konnte, dass sie die „Erlaubnis“ hätte, draussen im Park zu sein. Sie rief ihn an und hatte ihn auf dem Lautsprecher, sodass der Polizist alles mithören konnte. Sie erklärte ihm die Situation und er flippte aus und fand nicht nur nette Worte für den Polizisten. Dieser machte grosse Augen und als sie auflegte und ihm erzählte, wo ihr Vater wohne und woher sie komme, war er ruhig. Sie schaute ihn an, fragte nach seinem Familiennamen und flösste ihm wohl Angst ein. Er liess die Mädels in Ruhe und verschwand.
Ich war so froh zu hören, dass auch andere Eltern gab. Liberale und offene, die ihre Töchter unterstützen. Sie studierte in einer anderen Stadt, hatte eine eigene Wohnung und einen Job. Auch was den Umgang mit Männern und Beziehungen anging, war sie ganz anders und eher westlicher eingestellt. Der Iran braucht mehr solche jungen Frauen und vor allem eine Regierung, die diese Frauen ernst nimmt. Doch da beginnt wieder ein Teufelskreis. Die Regierung findet dieses Verhalten falsch und will es verbieten.
Kreativ und eingesperrt
Die Iraner sind ein gebildetes Volk. Viele haben studiert, fanden aber keinen Job. Die Jungen waren wie die Jungen in der Schweiz. Sie hatten Ideen, waren kreativ und wollten ihre Träume leben. Leider war das nicht wie in der Schweiz. Sie kämpften gegen eine Regierung, unzählige Regeln und Einschränkungen, gegen Familien und oft auch gegen die Geschichte.
Ich traf Architekten, Künstler, DJ’s, professionelle Skater, Tätowierer, Englischlehrer oder junge Leute mit Abschlüssen in englischer Literatur, Psychologie, industrial Design oder im Erdölbereich. Viele arbeiteten nicht auf ihrem Beruf oder hatten im Iran keine Zukunft mit ihrer Begabung. Hinzu kommt, dass ich festgestellt hatte, dass viele zwar offen waren und Träume hatten, sie aber nie gelehrt wurden, das Unmögliche möglich zu machen. Sprich einfach noch einen Schritt weiter zu gehen. Ihnen wurden von klein auf immer Grenzen aufgezeigt und sie wurden das fürchten gelehrt, weil die Strafen für Verstösse so krass waren, dass lieber kein Verstoss riskiert wurde.
Viele träumten von einer Zukunft in Freiheit, irgendwo ausserhalb des Irans. Ihr Denken lässt jedoch nicht zu, dass sie ernsthaft versuchen, das Land zu verlassen. Natürlich spielen auch Unsicherheit und Angst eine sehr grosse Rolle. Die Familie und Freunde sind extrem wichtig. Sollten sie das Land verlassen, wissen sie nicht, wie damit umgehen, ihre Familie länger nicht mehr sehen zu können.
Männer, die keinen Militärdienst machten, hatten keinen Pass. Sie könnten das Land, gegen eine Gebühr von mehreren tausend Dollar, verlassen und würden den Betrag zurückkriegen, wenn sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist wieder einreisten. Sollten sie nicht einreisen, könnten sie anscheinend nie mehr zurückkehren, ohne, dass sie den Militärdienst absolvieren müssten.
Der Betrag für eine Ausreise ist für die meisten Iraner sehr hoch und es ist unmöglich, so viel zu sparen. Da die meisten noch nie im Ausland waren, wissen sie zudem nicht, was sie erwarten würde. Hinzu kommt, dass es mit dem iranischen Pass praktisch unmöglich sei, Visa für andere Länder zu erhalten. Es bestehe jederzeit das Risiko, wieder in den Iran zurück zu müssen.
Militärdienst
Fragst du dich, weshalb sie nicht einfach den Militärdienst absolvieren? Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen dauert er zwei Jahre und viele wollen leben, studieren, arbeiten und ihre Vorstellungen stimmen überhaupt nicht mit der des Militärs und der Regierung überein. Andere haben richtig Angst, dass die zwei Jahre sie kaputt machen würden. Denn Militär im Iran kann ok sein, aber auch extrem hart. Und ich meinte, jemand habe gesagt, das sie auch eingesetzt werden könnten. Niemand wisse genau, wo überall iranische Soldaten stationiert seien im Ausland. Gewisse waren beispielsweise in Syrien. Es geht also unter Umständen um das eigene Leben.
Ich wünsche all diesen jungen Menschen von Herzen, dass sie irgendwie das Geld zusammenkriegen um das Land zu verlassen und die Möglichkeit, sich im Ausland eine tolle Zukunft aufzubauen.
Esfahan
An meinem letzten Abend in Esfahan, traf ich eine Freundin zum Nachtessen im traditionellen und gemütlichen Restaurant „Safavi House“. Das Mirza Ghazemi war sehr lecker, jedoch eine riesige Portion und mit sehr viel Knoblauch. Zusätzlich ass ich noch die leckeren, in Essig eingelegten, Knoblauchstücke.
Mein Gastgeber fand das dann icht so lustig und bestätigte mir, dass ich widerlich nach Knoblauch gestunken hatte. Nach dem Essen gingen wir noch ein letztes Mal ins Mustache Café und dann verabschiedete ich mich von ihr und ein paar anderen.
Hamadan
Meine letzten Tage im Iran waren angebrochen. Ich fuhr alleine nach Hamadan und genoss die Zeit, ohne immer jemanden dabei zu haben und mich austauschen zu müssen. Ich buchte am Nachmittag per Telefon zwei Nächte im Hotel Ordibehesht. In Hamadan war es kalt und ich hoffte, Schnee zu sehen. Irgendwie vermisste ich die Kälte und den Schnee, obwohl meine Wohlfühltemperatur bei 25 Grad liegt.
Nach meiner Ankunft sah ich Hamadan nur in der Dunkelheit und bei Regen. Es war eine kleine Stadt mit vielen Strassen, die alle bei einem Kreisel, der eine grosse Baustelle war, zusammenführten. Es gab verschiedene Shops, einen Bazar und eine moderne Fussgängerzone.
Erdbebenwarnung
Am Abend fragte mich ein Iraner, den ich nicht kannte, auf Instagram, wo ich sei. Es hätte Erdbebenwarnungen für die Region um Hamadan gegeben. Ich sollte mich so einrichten, dass, falls die Erde zu beben beginnt, ich das Gebäude schnell verlassen konnte. Meine Freundin aus Teheran meinte ebenfalls, dass sie etwas gehört hatte. Zwei andere Freunde versicherten mir, dass Erdbeben nicht vorhergesagt werden konnten. Was stimmte, wusste ich nicht. Ich hoffte nur, dass ich das nicht erleben musste und am nächsten Morgen normal erwachen konnte.
Die Warnung hatte ich natürlich ernstgenommen. Da ich nicht die ganze Nacht wach bleiben konnte, hatte ich ein paar Massnahmen getroffen. Ich hatte die Tür nicht abgeschlossen, mein Handy nicht ausgeschaltet und laut eingestellt, meinen kleinen Rucksack gepackt mit den wichtigsten Sachen und ein paar Kleider bereit gelegt, so, dass ich alles auf einmal mitnehmen konnte, falls ich das Gebäude verlassen müsste.
Dann legte ich mich ins Bett, schlief ein und war froh und dankbar, als am nächsten Morgen alles beim alten war.
Der Westen des Landes liegt in einer Erdbebenzone. Zwei oder drei Wochen zuvor gab es ein Erdbeben im Irak, nahe der Grenze zum Iran. Die Stadt Kermansah wollte ich mir ursprünglich auch ansehen. Sie war jedoch auch stark vom Erdbeben im Irak betroffen und ich änderte meine Pläne. Nach meiner Abreise gab es einige starke Erdbeben und Warnungen, auch in Teheran und Esfahan.
Beim Frühstück sprach mich ein junges iranisches Paar an. Sie wollten mich am nächsten Tag mitnehmen nach Teheran. Ich hatte aber abgelehnt, denn ich brauchte wirklich eine Menschen-Pause. So schön die Zeit auch war und ich keine Begegnung missen möchte, ich war es nicht gewohnt, ständig jemanden um mich herum und so wenig Privatsphäre zu haben. Ich brauchte einfach ein paar Tage für mich.
Fahrt zum Ali Sadr Cave
Der Ali Sadr Cave wurde mir von Iranern empfohlen, er sei wirklich sehr schön und sehenswert. Ich wollte mir ja keine Höhlen mehr ansehen, aber weil alle so geschwärmt hatten, buchte ich ein Taxi. Um 11 Uhr holte mich der Fahrer ab. Das Taxi kostete 600’000 Rial und der Eintritt in den Cave wäre nach meinen Recherchen um die 700’000 Rial gewesen. Der Rezeptionist meinte, der Taxifahrer kaufe mir das Ticket für 370’000 Rial.
Schweizer Musik
Der Fahrer war türkischer Abstammung, wie 70% der Bevölkerung in dieser Region und sprach kein englisch. Im Auto wollte er Schweizer Musik hören und ich war ehrlich gesagt etwas aufgeschmissen. Falls du mir hier Tipps hast für Schweizer Musik, freue ich mich sehr über einen Kommentar! Ich höre nicht bewusst Schweizer Musik und hatte auf die Schnelle keine Ahnung, was ich ihm spielen sollte. Ich suchte auf Spotify eine Playlist und spielte ihm einige Lieder vor.
Schneefall
Irgendwann war es weiss und die Strassen bedeckt. Der Fahrer dachte vermutlich, dass dies für mich etwas Spezielles war und zeigte mir mehrmals den Schnee. Spezieller fand ich eher, dass das Auto teilweise rutschte und andere mit einer kleinen Steigung überfordert waren, Schneeketten montierten oder nicht mehr weiterfahren konnten. Das musste daran gelegen haben, dass die alle mit Sommerreifen unterwegs waren.
Mittagspause
Aus irgendeinem Grund musste ich in einem Restaurant Mittagessen. Es konnte sein, dass der Cave geschlossen oder für die Zeit ausgebucht war. Ich glaube, wir machten einen Stopp beim Restaurant eines Freundes oder der Familie. Es gab keine Heizung und es war drin genau so kalt wie draussen. Meine Bestellung „Reis und Gemüse“ wurde entgegengenommen und aufgetischt bekam ich Brot, Tomaten, eine halbe rohe Zwiebel, Käse und Kräuter. Unverschämt war danach der Preis. Der eine wollte 300’000 Rial! Ich lachte, weil ich dachte es sei ein Witz. Danach meinte er 200’000 Rial. Ich sagte ihm, dass das viel zu teuer sei. Diskutieren konnte ich nicht, weil niemand englisch verstand. Also gab ich ihm die 200’000 Rial und hoffte, dass er glücklich damit wurde. Ein angemessener Preis wären 60’000 Rial gewesen.
Ali Sadr Cave
In der Höhle war ich die einzige Touristin aus dem Ausland und wurde dementsprechend oft angeschaut und angelächelt. Die Höhle war wirklich riesig und anders, als die, welche ich bisher gesehen hatte. Wir fuhren mit dem Boot bis zu einem Steg. Danach konnten wir uns frei bewegen. Es war schön gemacht und die verschiedenen Beleuchtungen machten die Höhle farbig.
Die Tour hätte vier Stunden dauern sollen. Zurück in Hamadan, nach sechs Stunden, wollte der Taxifahrer mir erklären, dass er doppelt so viel Zeit brauchte und ich nochmals 500’000 Rial bezahlen sollte. Dazu ist zu sagen, auf dem Hinweg machten wir einen Umweg von mindestens 30 Minuten, weil er irgendwo noch etwas abladen musste. Dass es schneite, hätte er ebenfalls wissen sollen und den Restaurantstopp hätten wir von mir aus nicht gebraucht. Da der Taxifahrer kein englisch sprach, sagte ich ihm, wir sollten zurück ins Hotel fahren, damit uns jemand übersetzen konnte.
Ich erklärte dem Rezeptionisten im Hotel die Geschichte. Schlussendlich hatten wir maximal eine Stunde effektiv Verspätung aufgrund des Schnees. Der Fahrer nannte im Hotel nur noch einen Preis von 200’000 Rial und ich wusste, dass er vorher viel zu viel Geld haben wollte. Diese Art kann ich überhaupt nicht ausstehen. Hätte er von Anfang an anständig gefragt und erklärt und keine Lügen erzählt, hätte ich ihm sogar mehr bezahlt, aber so stimmte es für mich nicht und ich gab ihm 100’000 Rial zusätzlich.
Winterwonderland
Am nächsten Tag war Hamadan und die Umgebung in eine schöne Winterlandschaft verwandelt! Die verschneiten Dächer und die weissen Berge um die Stadt erinnerten mich an die Schweiz. Ich schaute mir die das Cultural Heritage of Hegmataneh an und ging zu Mausoleum of Baba Taher.
Später machte ich mich auf den Weg zum Busbahnhof. Ein Mann meinte, der Bus sei voll und ich müsse ein paar Stunden warten. Eine Studentin, die englisch sprach, klärte etwas mit einem Freund, der bei der Busfirma arbeitete, und danach hatte ich mein Ticket nach Teheran. Ich trat meine vorerst letzte Busfahrt im Iran an.
Ehemalige amerikanische Botschaft
Bisher schaffte ich es nie zur ehemaligen Amerikanischen Botschaft, als sie geöffnet war. Ich hatte mich nicht gross informiert und war sehr überrascht, als ich eine Führung und verschiedene Informationen bekam.
Am 4. November 1979, während der iranischen Revolution, wurde der geflüchtete und schwerkranke Schah, Mohammad Reza Pahlavi, in den USA aufgenommen um operiert werden zu können. Dies führte dazu, dass rund 400 iranische Studenten in Teheran die amerikanische Botschaft stürmten und rund 52 Diplomaten der USA für 444 Tage festhielten.
Eine Geiselnahme in dieser Länge wäre nicht möglich gewesen, ohne eine indirekte Zustimmung des obersten Revolutionsführers Ruholla Chomeini (später Staatsoberhaupt bis zu seinem Tod 1989). Ziel der Geiselnahme war die Auslieferung des Schahs.
Was die Studenten beim Eindringen in die Botschaft ebenfalls entdeckten, waren die vielen Maschinen zur Überwachung des Irans. Niemand wusste anscheinend, dass die Amerikaner das Land oder Telefongespräche überwachten.
Bester Kaffee
An meinem letzten Tag fand ich den besten Kaffee in Teheran. Im Norden Teherans, in einem Quartier wo sich eher die Reichen und Expats niedergelassen hatten, fand ich „filtered coffee“. Sowohl den Chemex als auch den V60 kann ich empfehlen. Das Sam Café befand sich im Sam Center und die Preise waren günstiger, als in manch anderen Cafés.
Aus dem Fenster des Cafés schaute man direkt auf ein Haus mit einem Pool. Als ich das meiner Freundin erzählte lachte sie und meinte, dass ein Pool im Iran überhaupt keinen Sinn mache, denn man könne ihn nicht benutzen. Frauen sei das öffentliche baden nicht erlaubt und Männern laufen auch nicht halbnackt in der Öffentlichkeit herum. Da man von den umliegenden, höheren Gebäuden auf den Pool herunter sehen konnte, war dieser nutzlos.
Letzter Abend
Meinen letzten Abend verbrachte ich mit meiner Freundin. Wir fuhren zum Chitgar Lake, einem See etwas ausserhalb der Stadt. Die Gegend war wunderschön und die Luft viel besser. Es wurden viele neue Wohnblöcke gebaut und es gab verschiedene Läden von bekannten Marken und diverse Restaurants auf dem Areal. Auf der anderen Seite des Sees gab es Food-Stände und einen Freizeitpark. Wir assen in einem modernen und schönen Restaurant und ich konnte eeendlich Humus essen!
Ich schenkte ihr meinen dicken Schal, denn ich brauchte nur noch ein Kopftuch um an den Flughafen zu kommen. Sie war sooo nett und hatte auch ein Geschenk für mich. Lange hätte sie sich überlegt, was eine Reisende brauchen könnte. Ich bekam ein hübsches Holz Bücherzeichen und eine wunderschöne Tasse mit einem persischen Poem. Sie fände, eine eigene Tasse sei wichtig. Und ich liebe die Tasse! Jedesmal wenn ich nun Tee aus ihr trinke, geniesse ich ein Stück meiner Iran-Erinnerungen.
Tag 53
Mein letzter Tag war angebrochen. Er war gemütlich, gestresst und emotional zugleich. Morgens ging ich mit einem Kolumbianer aus dem Hostel zum Ivan Café. Wir tranken Tee und assen Bademjan. Die Leute im Café Ivan waren wie immer sehr nett und ich schenkte der einen meine Jeans. Diese hatte ich im Iran gekauft, weil ich eine Abwechslung brauchte zu meinen Yogahosen. Die nächsten Monate würde ich sie nicht benötigen und wegwerfen fand ich auch doof. Sie war etwas traurig, als ich abreiste, aber wir sind nun auf Instagram vernetzt.
Später schauten wir uns den Azadi Tower, das Wahrzeichen Teherans, an und danach fuhr ich zurück zum Hostel. Um 18.30 Uhr sollte ein Taxi einen Neuseleeländer und mich für 400’000 Rial zum Flughafen fahren. Der Preis war sehr günstig, wurde aber auf englisch und farsi mehrmals bestätigt. Aufgrund des Verkehrs kam er erst um 19.30 Uhr und am Flughafen meinte er dann, dass wir 600’000 Rial bezahlen sollten. Dann fing eine riesen Diskussion an. An sich wären die 200’000 Rial nicht die Welt gewesen, aber es ging uns ums Prinzip. Der Neuseeländer telefonierte mit dem Hostel und verschiedenen Leuten und alle bestätigen den Preis von 400’000 Rial. Am Ende gab ich ihm noch 100’000 Rial und wir verabschiedeten uns.
Check-in und Verabschiedung
Zum Schluss durfte ich nochmal einige kulturelle Unterschiede spüren. Ich hatte ein paar Wochen zuvor einen tollen Menschen kennengelernt und wir hatten eine sehr schöne und interessante Zeit. Er kam an meinem Abreiseabend zum Flughafen, damit wir uns verabschieden konnten. Mit dabei war auch ein Freund, den ich zwar kannte, trotzdem störte es mich, weil ich die letzten Stunden mit ihm alleine verbringen wollte. Für Iraner war es aber normal, dass noch jemand dabei war.
Der Check-in Schalter befand sich hinter einer Sicherheitskontrolle und die beiden mussten draussen auf mich warten. Als ob die ganze Situation nicht schon genügend angespannt gewesen wäre, teilte mir der Herr beim Check-in mit, dass ich kein Gepäck gebucht hätte. Ich hatte 50 Dollar für das Gepäck bezahlt. Trotzdem musste ich nun nochmals 55 Dollar bezahlen. Ich war entsprechend genervt und gereizt und bis alles erledigt war, dauerte es. Das Geld hatte ich im Nachhinein zurückerstattet bekommen, weil ein Fehler unterlaufen war.
Kurz bevor alles erledigt war und ich wieder zu meinem Freund gehen wollte, teilte er mir per SMS mit, dass sie gehen müssten. Sie übernachteten bei seinem Vater und dieser wollte schlafen. Diese Nachricht verbesserte meine Stimmung natürlich nicht. Ich lief raus, übergab ihm ein Geschenk und eine Postkarte mit einem persönlichen Text und meinte, er könne alles zu Hause lesen und jetzt gehen. Wie immer blieb er ruhig und konnte mit meiner aufbrausende Art in solchen Situationen sehr gut umgehen und mich wieder beruhigen. Er nahm sich dann die Zeit und wir suchten einen Platz wo uns niemand sehen konnte und möglichst keine Kamera oder Polizei zu sehen war.
Das war natürlich fast unmöglich. Wir gingen in die Parkgarage, unterhielten und umarmten uns und gaben uns einen kurzen Kuss. Für mich, eine an Freiheit gewohnte Schweizerin, war das schrecklich. Für ihn, einen überwachten und eingeschränkt lebenden Iraner, war das wohl mehr als er jemals in der Öffentlichkeit gemacht hatte.
Es gab keine Restaurants im öffentlich zugänglichen Bereich. Wir setzten uns in ein Fastfood Restaurant und er wies seinen Freund an, sich an einen anderen Tisch zu setzten. Dann kam der Zeitpunkt, als wir uns definitiv verabschieden mussten. Wir wussten nicht, wo das ganze hin führte, ob und wann wir uns wieder sehen konnten, ob er das Land verlassen kann oder will.
Plötzlich wimmelte es nur so von Menschen. Wir stellten uns in einen Gang, sagten tschüss, umarmten uns kurz, gaben uns ein Küsschen und das war es. Ein hektisches tschüss.
Es war definitiv Zeit, das Land mit den vielen Einschränkungen und Regeln für den Moment zu verlassen. Je länger ich im Iran war, desto mehr wurden mir die vielen Regeln und Einschränkungen bewusst und ich merkte, wie mir die Freiheit fehlte.
Ich lief zum Gate, setzte mich in den Flieger und flog nach Bangkok.