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Bosnien & Herzegowina
Der Weg von Belgrad nach Sarajevo führte mehrheitlich durch Wälder, an grünen Feldern, Hühner, Kühen, Hunden, Schafen und Vögel die auf Schafen schliefen vorbei. Die Landschaft war sehr schön und grün, ähnlich wie in der Schweiz. In Bosnien und Herzegowina (BiH) hatte ich rund zwei Wochen Zeit. Denn am 30. September flog ich von Tuzla nach Kutaisi in Georgien. In dieser Zeit schaute ich mir die drei Städte Sarajevo, Mostar und Trebinje an. Da ich mich in Sarajevo sehr wohlgefühlt hatte, verbrachte ich insgesamt eine Woche in der Stadt.
Sarajevo
Gegen halb acht abends kam ich beim Busbahnhof ausserhalb der Stadt an. Auch hier wurde kyrillisch geschrieben und etwas zu verstehen war unmöglich. Eine Freundin kam mit dem Auto abholen. Ich kenne sie aus der Gymi-Zeit und habe sie mindestens 15 Jahre nicht mehr gesehen. Es war schön, sie wieder einmal live zu sehen. Sie sah immer noch gleich aus und hörte sich auch noch gleich an mit dem schönen Appenzeller-Dialekt. Zwar war der Sing-Sang teilweise der Bosnische, aber die Worte waren Schweizerdeutsch.
Auf dem Weg in die Stadt passierten wir eine Tafel mit den Worten „Republika Srbska“. Ich war verwirrt, konnte aber nicht weiter darüber nachdenken. Sie brachte mich dann zum Hostel und war erstaunt, dass ich da mit sieben fremden Frauen und Männern im selben Raum schlafen konnte. Ich stellte mein Gepäck ins Zimmer und sie brachte mich in ein Restaurant, wo es für mich einen leckeren Wok mit Gemüse und Sojasauce gab.
Am nächsten Tag kaufte ich bei BH Telecom ich eine bosnische SIM Karte. Für 10 Tage und 5GB bezahlte ich 20 Bosnische Mark (ca. CHF 10.00). Danach machte ich mich auf den Weg zum National Theater, dem Treffpunkt der Free Walking Tour. Beim Start meiner Reise war einer meiner Pläne, dass ich nie mehr frieren werde. Sag niemals nie, denkst du nun bestimmt. Und du hast recht. Bereits in Sarajevo war es recht kalt und ich war froh um mehrere Schichten und meine Winterjacke. In der Nacht war es oft nur noch ein paar Grad warm.
Free Walking Tour und War Tour
Ich nahm in Sarajevo an der Free Walking Tour und an der War Tour mit Neno teil. Beide waren sehr interessant. Ich fasse diese nachfolgend für dich zusammen. Mach dich bitte darauf gefasst, dass es sich dabei nicht nur um leichte Kost handelt.
Sarajevo ist ein türkisches Wort und bedeutet „Palast zwischen den Bergen“. Bevor die Türken vor 500 Jahren für 400 Jahre nach BiH kamen, war das Land christlich. Heute sind 85% der Bevölkerung Muslime. Viele sind nicht religiös, praktizieren jedoch die Traditionen. Dies hängt auch damit zusammen, dass vor der Zeit Jugoslawiens die Menschen im Kommunismus lebten. Zu dieser Zeit wurde Religion nicht wirklich gelebt und auch nicht verbreitet. Mit den Traditionen ist es ähnlich wie bei uns. Viele sind nicht religiös, feiern aber trotzdem Weihnachten.
Jugoslawien bedeutet wörtlich „Südslawien“ (jug = Süden). Als Slaven wurde eine ethnische Gruppe bezeichnet. Da Albaner keine Slaven waren, gehörten nie zu Jugoslawien.
Unabhängigkeit und Krieg
Vor dem Krieg regierte Tito und es gab nur eine Partei. Als er 1980 starb und nicht rechtzeitig einen Nachfolger ernannte, ging es mit dem Land Berg ab. Das gute Leben, das die Menschen zuvor hatten, war vorbei, weil jeder der Präsidenten der einzelnen Jugoslawien-Ländern mehr Macht haben und Jugoslawien führen wollte.
In den 90ern erstrebten alle Länder die Unabhängigkeit mittels Referendum. 1991 wurden Slowenien, Kroatien und Mazedonien und Bosnien unabhängig. In Bosnien war es am kompliziertesten, weil es hier am meisten unterschiedliche ethnische Gruppen (Bosnier, Kroaten und Srbs) gab. Die Serben in Bosnien (Srbs) hatten sogar das Referendum boykottiert. Die Kroaten und Bosnier hatten die Mehrheit und konnten das Referendum gewinnen.
Als der Krieg im April 1992 (Dauer: 44 Monate bis Dezember 1995) startete und die Schiessereien begangen, sagte die Mutter des damals 7 jährigen Tourguides Neno, dass sie nun ein Spiel spielen und mit den Nachbarn in den Keller gehen um zu campen. Sie lebten danach während der ganzen Kriegsdauer im Keller des Wohnblockes. Es gab keine Küchen in den Kellern. Zum kochen und um den Keller zu wärmen wurden Bücher und Möbel verbrannt. Nach den 3,5 Jahren waren die Wohnungen leer, weil alles verbrannt werden musste. Die Menschen bemühten sich, ihr Leben so normal wie möglich weiterzuleben, um nicht verrückt zu werden. Deshalb fand zum Beispiel jeden Tag Schulunterricht statt und auch das Theater war geöffnet.
Der serbische Präsident Milosevic unterstützte die Srbs in Bosnien (Serben in Bosnien), da sich diese von Bosnien separieren wollten. Den Srbs wurde Gross-Serbien versprochen, was diese motivierte. Die Srbs waren auf Berg stationiert und schossen in die Stadt hinunter. Es gab keine Strassenkämpfe in Sarajevo, aber durch den Beschuss starben 11’000 Menschen. Viele verloren Kinder und Familienangehörige.
Während dem Krieg wurde u.a. die Post zerstört. Diese war das Kommunikationszentrum für die Bosnier. Danach war der einzige Kommunikationsweg für die Bevölkerung das neutrale Rote Kreuz. Es wurden Briefe verfasst, die durch das Rote Kreuz an Familienmitglieder in anderen Teilen Bosniens gebracht wurden. Die Überbringung konnte jedoch bis zu 30 Tagen dauern. Das Rote Kreuz unterstützte die Bevölkerung auch mit Lebensmitteln und Kleidern.
Spuren des Krieges
An vielen Häusern sind Löcher zu sehen und man könnte denken, dass das Löcher von Kugeln sind. An den meisten Häusern sind es jedoch Löcher, die bei der Explosion von Granaten entstanden, weil die Schale explodierte und die Teilchen gegen die Wände spickten. Im Schnitt fanden 300 Explosionen pro Tag statt.
Überall in der Stadt sind am Boden sogenannte „Sarajevo Rosen“ zu sehen. Diese entstanden, wenn Granaten explodiertet und Löcher in den Boden rissen. Menschen die daneben standen starben. Die Löcher wurden rot bemalt, zur Erinnerung an die Menschen die ihr Leben verloren. Noch heute sind Feuerwerke für viele Menschen ein Horror, weil sie sehr schlimme Erinnerungen wecken.
Lebensmittelversorgung
Das Essen war während dem Krieg gratis. Es gab jedoch nur Grundnahrungsmittel und vieles in sehr schlechter Qualität. Dosenfutter, Bohnen, Reis. Das Fleisch roch oft so schrecklich, dass nicht einmal die Tiere es essen wollten. Die Menschen waren aber natürlich dankbar für jedes Essen das sie bekamen.
Manchmal erhielten sie Samen um etwas anzubauen. Dies machte jedoch keinen Sinn weil sie keine Möglichkeiten hatten etwas anzupflanzen.
Sarajevo hat eine eigene Brauerei. Sie steht über einer Frischwasser-Quelle. Das ist der Grund, weshalb auch während dem Krieg das Sarajevsko Bier gebraut werden konnte. Viel wichtiger war jedoch der Zugang zu frischen Wasser für die Bevölkerung. Heute gibt es neben der Brauerei ein Pub in dem verschiedenes Bier günstig getrunken werden kann. Normalerweise mag ich keine dunklen Biere, dieses schmeckte jedoch leicht süsslich und nicht so bitter, genau richtig für mich. Das ungefilterte Bier wurde mir ebenfalls empfohlen. Mir schmeckten das helle und das dunkle jedoch besser.
Zigaretten waren eine Währung. Es wurden jedoch auch Uhren, Essen oder Geld getauscht. Neno’s Mutter hatte einmal einen goldenen Ohrring gegen Schokolade getauscht. Schokolade oder andere Süssigkeiten waren zu dieser Zeit sehr teuer und es gab sie normalerweise nicht.
Leben im Krieg
Die Menschen versuchten möglichst „normal“ zu leben. UN-Autos und -Arbeiter wurden als Schutzschilder benutzt um beispielsweise die Strassen zu überqueren weil diese als „neutral“ galten. Zur Unterhaltung wurde eine Miss-Wahl durchgeführt und die Menschen machten sich hübsch und gingen ins Theater. Neno’s Mutter, arbeitete für das Finanzamt und schwarzer Humor half den Menschen oft über diese schwierige Zeit hinweg.
Exhibition Srebrenica
In der Ausstellung zum Massaker von Srebrenica wurde sehr gut erklärt, dokumentiert und dargestellt was am 11.7.1995 passierte. Es wurden über 8’000 Muslime in Srebrenica von der Armee der Republika Srbska ermordet. An diesem Tag starben Körper, Leben, Träume und Hoffnungen. Noch heute fehlt in vielen Familien der Ehemann oder der Vater. Die meisten Opfer konnten identifiziert werden. Wurde jedoch eine ganze Familie umgebracht, war dies unmöglich.
Eine Frau sagte in einer Dokumentation: „Was passierte war sehr schlimm. Aber ich lasse mein heutiges Leben nicht davon beeinflussen. Mein Leben ist voller Liebe. Wenn ich voller Hass wäre, wäre ich zu schwach.“
Viele Menschen sagen auch ganz klar, dass man nicht vergessen soll was passierte, aber man muss weiterleben, nach vorne schauen und das Leben geniessen.
10 Minuten
In einem Kurzfilm wurde gezeigt, was in 10 Minuten alles passieren kann.
Rom: Ein asiatischer Tourist war sehr begeistert, dass er seine Fotos in nur 10 Minuten entwickeln lassen konnte. Er rauchte eine Zigarette und wartete, bis ihm der freundliche Italiener seine Fotos überreichte. Der Tourist war glücklich und zog mit seinen Fotos weiter.
Bosnien: Ein Auto mit Wasser für die Menschen in den Wohnblöcken fuhr in den Innenhof. Ein Junge sollte Wasser holen für die Familie. Dann knallte es und der Junge rannte zurück ins Haus. Als er in der Wohnung ankam, fand er seine toten Eltern.
Der Film war echt krass.
Die „Exhibition Srebrenica“ war die letzte Ausstellung für mich. Das war recht heftig und sehr eindrücklich. Danach war ich aber recht durch und entschied, dass ich kein Museum mehr besuchen werde zum Thema Kriegsgeschichte. Das Museum „Crime Against Humanity and Genocide 1992 – 1995“ müsse auch sehenswert sein.
Es ist schrecklich was passierte und es ist nicht einmal 30 Jahre her. Es geht dabei auch nicht darum, ob das nun alles genau so richtig ist, wie es verschiedene Menschen erzählen. Milosevic kontrollierte während dem Krieg die Medien und noch heute glauben einige in Serbien, dass Sarajevo nie Krieg hatte und alles nur propagiert wurde. Fakt ist, es ist passiert und sehr viele Menschen müssen mit dieser Vergangenheit leben.
Oft wird vergessen, dass Ähnliches praktisch täglich irgendwo auf der Welt passiert. Und das Schlimme ist, es sind meist nicht die Menschen in einem Land, die bewusst entscheiden, dass sie kriegen und andere Menschen umbringen wollen. Es sind immer politische oder religiöse Interessen die zu Kriegen führen und die Menschen und Soldaten werden missbraucht um die Kriege zu führen.
Ich bewundere die Menschen, die nach einer solchen Geschichte ihr Leben „ganz normal“ weiterleben. Mir ist bewusst, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt, trotzdem geht ein solches Schicksal nicht spurlos an einem Menschen und den Nachkommen vorbei. Trotzdem waren auch in Sarajevo die Menschen sehr freundlich, hilfsbereit und wirkten fröhlich.
Das Leben heute
Die Menschen vermissen das gute Leben, das sie unter Tito hatten. Der Lebensstandard war viel höher. Heute gibt es 40% Arbeitslose, unter Tito waren es nur 6%. Das Gesundheitssystem sei zwar gratis, aber nicht das Beste.
Bosnien akzeptierte die Republika Srbska. Diese haben heute noch eine eigene Polizei und ein eigenes Gesundheitswesen. Das politische System in Bosnien ist sehr komplex. In BiH leben 4 Millionen Menschen. Es gibt für die Bosnier, Kroaten und Srben jeweils verschiedene Vertreter in der Regierung, was das Ganze extrem aufbläht und verteuert. In einem Land mit einer schlechter Wirtschaftslage und viel Korruption ist das sehr kontraproduktiv.
Heute seien die Steuern in Bosnien die höchsten in Europa. Unter anderem, weil eine viel zu grosse Regierung finanziert werden muss. Spannend ist, dass die Parteien in Bosnien nicht links oder rechts sind, sondern die Ethnien vertreten. Nur die SDP setzt sich übergreifend für alle Ethnien ein.
Viele Menschen, vor allem auch Jüngere, sagen heute, dass es immer auf beiden Seiten gute und böse Menschen gibt. Und dass sie in Zukunft wieder gemeinsam Leben wollen, so wie es früher einmal möglich war. Religion und ethnische Zugehörigkeit spielen dabei keine Rolle, der Mensch zählt.
Eine tragische und zu gleich schöne Geschichte ist die von „Romeo & Julia aus Sarajevo“. Eine Bosnierin und ein Serbe, ein Paar, das nicht zusammen sein sollte. Sie liebten sich und wollten sich nicht trennen lassen. Alles war für die Flucht vorbereitet und vereinbart. Am Ende starben sie aber nur wenige Meter nach der bosnischen Grenze. Die Geschichte findest du hier.
Nach den ganzen Informationen wollte ich mich nur in ein Restaurant setzten, ein Bier trinken und das alles setzten lassen. Wieder einmal wurde mein Plan spontan geändert. Der Holländer Wilbert van Haneghem, der auch an der Tour teilnahm, gesellte sich zu mir und erzählte mir seine Story. Er war 2014 auf einem sinkenden Boot in den Philippinen und musste über 40 Stunden auf offenem Meer überleben. Falls du holländisch verstehst, ist das bestimmt eine spannende Lektüre: Schipbreuk in het paradijs
Essen in Sarajevo
Nun zu einem angenehmeren Thema, dem Essen. Mein Stammrestaurant war ein Falafel-Restaurant. Es gab sehr leckere Salate, Hummus und Falafel-Gerichte.
Eine bosnische Spezialität ist Tufahija, ein Apfel gefüllt mit Baumnüssen und viel Zucker. Leider war es unmöglich, eine vegane Variante davon zu finden. Meine Freundin klapperte alle Bäckereien, Dessert-Shops und Restaurants ab, um herauszufinden ob es irgendwo vegane bosnische Spezialitäten gab. In einem Shop blieb sie ca. 10 Minuten und kam mit 5 verschiedenen Tüten raus. Alles vegan, auch ohne tierische Gelatine! Das Resultat waren: Tahan Halva mit Pistazien und Schokolade, Rahat Lokum mit Rosen-, Walnuss- und Preiselbeer-Geschmack. Ich konnte es kaum erwarten alles zu probieren!
Im Islam waren Statuen und Gesichter verboten und die Österreich-Ungarn Herrschaft errichtete nicht viele Statuen aus Respektgründen. Das sind die Gründe, weshalb in Sarajevo fast keine Statuen zu sehen sind.
Es gibt Moscheen, Kirchen und eine Synagoge in Sarajevo. Die grösste Kirche ist eine Orthodoxe. Heute leben jedoch nur noch 2% Orthodoxe in Sarajevo. Die meisten flüchteten im Krieg in den 90er Jahren in andere Landesteile.
Vor dem zweiten Weltkrieg lebten 10’000 Juden in Sarajevo. Die Türken begrüssten die Juden, da sie um die Bildung und das Wissen der Juden wussten. Heute sind es nur noch 600. Es gibt fast keine jungen Juden mehr. Die letzte Hochzeit fand vor 60 Jahren statt.
Ein Abend in Sarajevo startet perfekt mit einem Spaziergang zum Yellow Fortress, einem schönen Sonnenuntergang und mit Blick auf die Stadt.
Ein Morgen startet perfekt mit interessanten Menschen beim Frühstück. Eine dieser Personen war eine Deutsche, die meist möglichst günstig, mit Zelt und per Anhalter reist. Ihr Ziel ist es, der Welt 100 Schaukeln zu schenken. Ich finde das eine sehr schöne Idee. Jeder sitzt gerne auf eine Schaukel. Sei es um die Seele baumeln zu lassen, für ein romantisches Foto oder einfach nur zum Spass. Mittlerweile hat sie bereits 60 Schaukeln gebaut. Ihre tollen Werke können auf Facebook bestaunt werden.
Übrigens klärte ich ab, ob es Techno gab in der Stadt. Eine, die Techno nicht mag, meinte, sie war einmal am frühen Morgen in einem dunklen Club mit wenig Licht und Menschen, die teilweise mit Sonnenbrille und den Händen in der Luft tanzen. Eventuell sei das etwas was ich suche. Ich war mir sicher, dass ich mir den Club Silver & Smoke anschauen musste. Und es hatte sich gelohnt! Der einzige Nachteil war, dass die Kleider, Haare und Taschen danach so richtig ekelhaft nach Rauch gestunken hatten. Denn wie überall durfte auch im Club geraucht werden.
An einem Wochenende fuhr ich mit meiner Freundin und ihrer kleinen süssen Tochter auf den Berg Trebević. Wir spazierten, genossen die schöne Aussicht auf Sarajevo und die Umgebung. Es gab zudem eine hübsche Anlage mit Restaurants, Wiesen und Spielplätzen für Kinder. Zurück in der Stadt wärmten wir uns bei Čajdžinica Džirlo mit einem frischen und natürlichen Tee. Dieses Restaurant ist ein Muss hier!
Da in Bosnien sehr viele Moslems wohnen gab es auch Kopftücher zu kaufen. Ich bat meine Freundin mich zu beraten, denn ich brauchte eines für meine bevorstehende Reise in den Iran. Wir hatten beide keine Ahnung worauf man achtet und was gut aussieht und es war ein komisches Gefühl, ein Kopftuch zu tragen. Ich kaufte irgendein farbiges Tuch und realisierte später, dass ich ein altmodisches gekauft hatte. Fehlkäufe gehören wohl dazu.
An meinem letzten Abend wurde ich von der Familie meiner Freundin zum Essen eingeladen. Die Mutter kochte extra vegan. Frische Tomatensuppe, Gemüse, gefüllte Aubergine, Paprika und Zucchetti, süssen Kürbis und den Apfel-Dessert. Alles hatte mir sehr gut geschmeckt!
Später ging ich mit einigen vom Hostel in den Silver & Smoke Club, danach Pommes essen und ins Hostel um zu kochen, weil wir so hungrig waren. Mittlerweile war es so spät, dass es sich nicht mehr lohnte schlafen zu gehen, denn um 7 Uhr kam mein Shuttle zum Flughafen in Tuzla. Geschlafen habe ich dann die ganzen 3 Stunden bis nach Tuzla, was den Fahrer irritierte. Als ich ihm sagte, dass ich feiern war und nicht geschlafen hatte, war er erstaunt und musste lachen. Da mein Flug erst um 17 Uhr ging, verbrachte ich die Wartezeit in der Sonne mit essen und schlafen.
Mostar
Die Zugfahrt nach Mostar dauert ca. 2,5 Stunden. Mir wurde das Hostel Miran empfohlen. Miran wohnte während dem Krieg mit seiner Familie im selben Haus, in dem heute das Hostel ist. Ich kam gerade rechtzeitig im Hostel an, so dass ich die Tagestour durch Mostar und die Umgebung mitmachen konnte. Die Tour machte mit Mirans Cousin von Mostar travel. Sie war sehr spannend und enthielt natürlich auch einige Informationen zum Krieg in Mostar.
Die sechs Berge die Mostar umgeben, wurden im Krieg von der kroatischen Armee kontrolliert. In 10 Monaten wurden rund 100’000 Granaten geworfen. Während dieser Zeit lebten in Mostar ungefähr 45’000 Menschen. Weil die Stadt von Bergen umgeben war, konnte niemand fliehen. Die Menschen konnten entweder aufgeben oder kämpfen. Natürlich wollten sie ihre Familien beschützen und kämpfen war der einzige Weg. Die aussichtslose Situation machte die Bosnier unheimlich stark und spornte sie an.
Es gab 500 Konzentrationslager. Im Konzentrationslager der Kroaten gab es einmal am Tag Essen. Dafür hatten sie 30 Sekunden Zeit und mussten mit den Händen hinter dem Rücken essen. Die Bosnier wurden von den Kroaten als Schutzschilder gegen die eigenen Leute verwendet und danach umgebracht, weil man sie nicht mehr brauchen konnte. Noch heute haben viele ältere Menschen posttraumatische Störungen.
Der Westen stellte sich immer als grosser Helfer dar. Das war er jedoch nicht immer. Zum Beispiel erhielten die Soldaten Essen, auf dem stand „für Vietnam Soldaten“. Das Essen war also mindestens 30 Jahre alt.
Ein anderes Beispiel war, nachdem Bosnien unabhängig wurde, hatte Slobodan Milosevic Bosnien alle jugoslawischen Waffen weggenommen, weil sie nicht mehr zu Jugoslawien gehörten. Diese Waffen wurden dann gegen Bosnien verwendet und es wurde ihnen nicht erlaubt von der United Nations (UN) Waffen zu kaufen um sich zu verteidigen. Anders als in Sarajevo wurde Mostar wurde während fünf Tagen beschossen und danach wurde auf dem Boden gekriegt.
Es gab eine Strasse, welche die Stadt in einen bosnischen und einen kroatischen Teil teilte. Heute gibt es zwar eine Regierung und eine Polizei, aber immer noch zwei Universitäten und zwei Spitäler.
Die Menschen hassten einander, weil sie es so gelehrt wurden. 1995 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet.
Ein „schöner“ Aspekt einer solchen Vergangenheit sei, dass viele Menschen mit nichts aufgewachsen sind und heute ein besseres Leben führen, weil sie dankbar sind für das, was sie heute haben (Wohnung, Auto, Job, Unternehmen) und nicht alles als selbstverständlich erachten. Denn das sei das, was sie bei vielen Touristen mit einer glücklicheren Vergangenheit aus wohlhabenderen Ländern beobachten.
Am Nachmittag sind wir für den Sonnenuntergang zu einem Bunker auf dem Hügel hochgelaufen. Es sind noch heute vereinzelt Patronenhülsen, Teile von Konservendosen oder Knöpfe von Uniformen zu finden.
Yoga
Über Facebook habe ich eines Abends eine Yoga Lehrerin gefunden. Ich musste drei zusätzliche Teilnehmer finden und dann machte sie am nächsten Tag eine Stunde für uns. Eine Engländerin, ein Brasilianer und ein Amerikaner aus dem Hostel sagten zu und am nächsten Tag um 13 Uhr ging es los bei ihr im Innenhof.
Mostar hat eine sehr schöne Altstadt. Leider war sie vollgestopft mit Touristengruppen. Ich lief deshalb schnell durch und sah nicht sehr viel. Bosnien hat ein mediterranes Klima und besteht aus den zwei Teilen Bosnien (Norden) und Herzegowina (Süden). Es wachsen hier Früchte wie Feigen, Trauben, Granatapfel oder Kiwi. Weil Bosnien nicht Teil der EU ist, haben sie Schwierigkeiten zu exportieren. Vieles ist deshalb sehr günstig im Inland, weil ein Überfluss produziert wird. Auf dem Land verdienen viele Leute oft das Minimum von rund 1 Euro pro Stunde, was für einen Liter Benzin reicht. Viele sind deshalb auf Verwandte im Ausland angewiesen.
Trebinje
Trebinje liegt in der Republika Srbska, also im Teil Herzegovina. Das wird schnell klar, denn an keinem Ort den ich besucht habe war so vieles ausschliesslich in kyrillisch angeschrieben wie hier. Es leben hier also mehrheitlich die Orthodoxen. Übernachtet habe ich im „The Red Door„. Da das Hostel lag etwas ausserhalb war, holte mich der Besitzer am Busbahnhof ab. Er lebte einige Jahre in Deutschland, sprach deutsch, war sehr hilfsbereit und freundlich. Auf dem Weg zum Hostel erhielt ich eine kurze Stadtführung, bekam ein 4er Zimmer inkl. Balkon für mich alleine und ein Fahrrad, damit ich in die Stadt fahren konnte. Zudem konnte ich immer Kaffee, Schnaps oder Wein mit ihm trinken.
Als ich an der Busstation wartete, sprach mich einer an. Sein englisch war nicht sehr gut, er hatte sich aber bemüht und wirkte nett. Er gab mir seine Nummer und meinte, er habe noch nie jemanden aus der Schweiz getroffen. Wir könnten einen Kaffee trinken und er könnte mir Trebinje zeigen. Am nächsten Tag habe ich mich bei ihm gemeldet und wir haben uns getroffen. Irgendwie war er komisch. Die Unterhaltung war sehr stockend und ich dachte ich trinke schnell aus und dann verabschiede ich mich. Naja, bevor es dazu kam versuchte er mich zu küssen. Aus dem Nichts. Mann o Mann, es gibt ja schon Typen. Ich habe ihm dann klar gemacht, dass ich kein Interesse habe und mich verabschiedet.
Die HappyCow App verriet mir, dass es kein einziges Vegi-Restaurant gibt und bei der Touristeninformation mussten sie lachen, als ich fragte wo ich etwas zu essen finden könnte. Im Einkaufszentrum fand ich eine essbare Gemüse-Pizza (ohne Käse natürlich). Danach deckte ich mich im Supermarkt mit Früchten, Müesli und Gemüse ein, um die Tage hier zu überleben.
Trebinje ist eine kleine Stadt mit einem Fluss und vielen Restaurants. Auf dem Hügel befand sich ein Kloster. Der Plan war, den Sonnenaufgang auf dem Berg zu sehen. Natürlich war es mir zu früh und zu dunkel und ich entschied mich nochmals zu schlafen. Um 9 Uhr startete ich meinen Morgenspaziergang, durch Wohnquartiere und vorbei an freundlichen Menschen. Oben angekommen genoss ich, auf der Terrasse des Restaurants, die atemberaubende Aussicht auf Trebinje und die wunderschöne Landschaft. Die Kirche ist hübsch und sei eine kleinere Kopie einer Kirche in Kosovo.
Um die Mittagszeit stellte sich mir die übliche Frage „wo soll ich essen?“. Ich fand einen Pizzastand und fragte nach Pasta ohne Fleisch. Gab es nicht. Pizza mit Gemüse und ohne Käse? Die Sprachbarriere war da und erforderte etwas Geduld von beiden Seiten. Einer zeigte mir einen Käse und meinte „no milk“. Hmmmm… Aber es war Käse. Und ich glaubte nicht, dass sie hier veganen Käse hatten. Ich hatte kein Internet mehr und meine GoogleTranslate-App funktionierte somit nicht. Einer der Jungs hatte eine Übersetzungsapp auf dem Handy, die ich benutzen sollte. Das war leider unmöglich, weil da alles kyrillisch war. Dann, sehr lieb, haben die drei die Köpfe zusammen gesteckt und zusammen übersetzt „herbal cheese“. Was auch immer das ist. Ich kriegte dann eine Pizza ohne Käse. Mit Tomaten, Paprika, Oliven und Dosenpilzen die definitiv besser schmeckte als die im Einkaufszentrum.
Irgendetwas sagte mir am Nachmittag, dass ich nun besser nach Hause gehe. 2 Minuten nachdem ich im Zimmer war, regnete es so stark, dass 15 Minuten später die ganze Strasse unter Wasser stand. Es blitzte und donnerte und irgendwann funktionierte auch das WiFi nicht mehr. Zum Glück hörte ich auf mein Gefühl. Mir blieb dann nichts mehr anderes übrig, als mit dem Besitzer seinen selbstgebrannten Grappa (Rakia schmeckte mir besser) und Rotwein zu trinken und TV zu schauen.
Was mir aufgefallen ist…
Oft war in den Gesprächen zu spüren, dass es verschiedene Religionen in dem Land gibt. Beispielsweise hatten Srben gesagt, dass sie keine Bosnier und keine Moslems seien. Das war für sie sehr wichtig klarzustellen. Denn in ihren Augen leben die Bosnier (Moslems) 150 Jahre hinter unserer Zeit. Dies waren jedoch mehrheitlich Aussagen von älteren Personen. Die Jungen wollen leben und nach vorne schauen, sich ihre Freunde aufgrund des Charakters und der Interessen aussuchen und nicht aufgrund der Religion.
Es gab überall Trinkwasser um meine Flasche aufzufüllen, auf den Märkten konnte ich frisches Gemüse und Obst kaufen und ich hatte nie das Gefühl, dass ich abgezockt wurde. Die Menschen waren immer sehr freundlich und hilfsbereit. Trotzdem war eine lokale SIM sehr hilfreich und praktisch.
In Bars, Restaurants oder Busstationen war das Rauchen erlaubt und es rauchten sehr, sehr viele Menschen. In Bosnien gab es zu dem viele Chipsys. Das sind Kinder die meist aus Indien über Rumänien oder die Türkei kamen und betteln müssen. Es steckt eine grosse Organisation dahinter. Statt Geld, das sie abgeben müssen, gibt man den Kindern besser etwas zu essen. In den Bereichen Umwelt, Plastik, Nachhaltigkeit oder Entsorgung gibt es in BiH definitiv noch Potenzial.
So, das war mein erster Reisemonat. Rückblickend habe ich einiges gesehen, gelernt und erlebt in den ersten 30 Tagen und war eher schnell unterwegs. Es war aber ein toller Monat und ich habe jeden Tag genossen. Du darfst gespannt sein, was ich in den nächsten Wochen alles erlebte.