Reisen

Saudi Arabien – Roadtrip als Frau alleine

roadtrip saudi arabien

Tags:                                                     

Saudi Arabien – Roadtrip als Frau alleine

Im ersten Teil habe ich über meine Vorbereitung, die Ankunft in Saudi Arabien, verschiedene Informationen, das Leben bei einer Familie und die Reise nach Riyadh, Abha und die Ausflüge um Abha geschrieben. Hier berichte ich über meine Erfahrungen und Begegnungen während meinem Solo-Roadtrip, gestartet mit ein paar Tagen in Jeddah.

Jeddah-Sign

Jeddah

Von der Bushaltestelle bestellte ich ein Careem zum Hotel. Als ich da ankam half mir ein Jordanier, der englisch und arabisch sprach und fand heraus, dass ich im falschen Hotel war. Sie hatten noch eine zweite Location. In Booking war die Adresse falsch. Also bestellte ich ein weiteres Taxi zur zweiten Location. Diesmal hatte ich einen pakistanischen Fahrer. Viele der Fahrer waren aus Pakistan und immer sehr freundlich.

Mühsamer Taxifahrer

Doch dieser war anders. Er sprach etwas bestimmter und aggressiver. Es kann sein, dass das bei mir nur so rüber gekommen ist. Aber ich konnte damit nicht umgehen. Zumal es um die Themen ging wie, warum ich nicht verheiratet war, warum ich keine Kinder hatte etc. Und, das falsche Bild, das vielen eingetrichtert wird, dass wir im Westen keine Hochzeit wollen und mit allen Sex haben.

Er nervte mich gewaltig. Als er dann noch in einem aggressiveren Ton meinte „das Hotel ist nicht hier!“, sagte ich, dass ich das sehe und dass ich es schon finden würde. Er war erstaunt, als ich ausstieg ohne einen Plan zu haben.

Ich habe öfters Unterhaltungen in welchen konservative Menschen nicht verstehen, dass ich nicht verheiratet bin. Und auch das ganze Sex Thema. Warum zum Teufel interessieren sich wildfremde Menschen, die höchstwahrscheinlich kein erfülltes Sexleben haben, für meines? Klar, sie hören darüber, sie haben Vorurteile. Sie sind Menschen. Trotzdem. Dann ist das wohl meine Aufgabe, in Zukunft den netten Herren einen kurzen Aufklärungs- und Respekt Kurs zu geben.

Nun war ich also aus dem Auto ausgestiegen und … Natürlich fand ich das Hotel nicht. Denn es war da nicht. Und das Telefon war auch nicht besetzt.

Wo war mein Hotel?

Also stornierte ich die Buchung wieder und suchte ein anderes. Das mit Google Maps funktionierte in Saudi Arabien allgemein oft nur mässig. Ich buchte das OYO Hotel und war um ca. 11 Uhr da. Einchecken konnte ich erst ab 16.00 Uhr. Glücklicherweise konnte ich aber auch hier mein Gepäck deponieren. Ich war den ganzen Tag unterwegs und als ich um 23 Uhr total müde zurück war, meinte der junge Herr, dass meine Buchung storniert sei. Warum auch immer.

Er meinte ich soll in Booking.com die Buchung stornieren und neu buchen. Neu wären es dann 32 statt 22 Dollar gewesen und er meinte „ja, das sind 10 Dollar mehr“, als ob es nichts wäre. Ich erklärte ihm, dass ich nicht bereit sei 30 Prozent mehr zu zahlen. Wir hatten diskutiert, er klärte etwas ab und ich bekam den Raum für 24 Dollar. Endlich schlafen. In einem viel zu grossen Raum. Jedes der Hotelzimmer, die ich bisher sah, hatte ein Schlafzimmer, eine kleine Küche, ein Bad und einen Aufenthaltsraum. Dafür sind 25 Dollar nichts magst du jetzt denken. Das stimmt. Wenn man aber versucht günstig zu reisen, dann ist das viel mehr als ich brauche und deshalb auch verhältnissmässig teuer.

Zu Fuss unterwegs

Wie bereits erwähnt, laufe ich gerne und brauche Bewegung. Saudi Arabien ist dafür nicht das geeignetste Land. Alles ist in die Länge gezogen und alles andere als kompakt gebaut. Trotzdem versuchte ich so viel wie möglich zu laufen. Zum einen, damit ich mich bewegen kann, zum anderen aber auch, damit ich die Taxikosten von immer 5 bis 10 Dollar sparen konnte. Ein weiterer positiver Nebeneffekt war, dass ich in Gassen und Strassen kam, die ich sonst nicht gesehen hätte. Denn normalerweise schaue ich auf GoogleMaps wie ich von A nach B komme und versuche die Hauptstrassen zu meiden. So laufe ich durch die Strassen und Gassen, wo es mich gerade hinzieht.

Die grossen Strassen zu überqueren war immer wieder eine Herausforderung. Das konnten manchmal bis zu 10 Spuren sein, auf denen Autos mit bis zu 80 km/h fuhren. Aber alles ist möglich, wenn man achtsam ist.

Sightseeing in Jeddah

Von der Red Sea Mall lief ich an der Sea Front entlang bis zum Jeddah Sign. Da es Wochenende war, waren die Parks voller Familien, die auf ihren grossen Teppichen sassen, picknickten und herumrennenden Kindern. Eine angenehme Atmosphäre.

Die King Saud Mosque muss schön sein, habe ich aber verpasst anzuschauen. Die Falastin Strasse ist eine belebte Walkingstreet am Abend. Ich finde solche Strassen aber nichts besonderes. Es sind fancy und moderne Restaurants, Shops und Hotels aneinandergereiht, bis runter zum Meer. Schön aber nicht speziell.

Das Jamjoom Commercial Center ist eine chinesische Mall. Speziell und nicht wirklich chinesisch. Ich war mal wieder zur Prayer-Time vor Ort und die meisten Shops waren geschlossen.

Läuft man bis ans Ende der Falastin Strasse, sieht man den Jeddah Fountain, eine 200 Meter hohe Fontäne.

fountain-jeddah

Kreative Kreisel

In Saudi Arabien gibt es unzählige Kreisel und die meisten sind sehr schön gestaltet. In Jeddah sind die folgenden zum Beispiel sehenswert:

  • The Globe Roundabout
  • Magic Carpet
  • Bicycle Roundabout (al Faisaliyyah)
  • Rock garden roundabout
  • Saudi Flag Roundabout

Al Balad

Vom Bab Jadid lief ich durch die Strassen bis zu „Al Balad“ wo es viele schöne traditionelle Häuser hat. Al Balad heisst „the town“ übersetzt. Ich lief stundenlang herum, machte Fotos und traf den netten Herrn im Souvenir Shop. Er meinte ich sei die erste Schweizerin und wollte direkt einige Fotos machen.

Jeddah-Al-Balad

Hier (GoogleMaps Link) befindet sich das ديوان بيت الحجاز ein traditionelles Tee/Kaffeehaus.

Das Matbouli House ist eines der ältesten Häuser und heute ein Museum. Ich konnte rein, doch es war alles auf Arabisch. Die Frau rief dann ihre Tochter an und sie erzählte mir über den Lautsprecher auf Englisch, was mir die Mutter zeigte. Eine ganze Familie wohnte auf verschiedene Etagen. Betten gab es keine, sondern nur faltbare dünne Matratzen, die am Abend auf den Boden gelegt und am morgen wieder zusammengeräumt wurden.

Diese Matratzen gibt es heute noch und hatte ich auch im Iran gesehen. Sie sind sehr praktisch und bequem.

Jeddah-Al-Balad Jeddah-Al-Balad Jeddah-Al-Balad

Ich erwischte wieder die Prayer-Time. Deshalb war fast alles geschlossen aber trotzdem schön. Als ich den Bazaar/Souk erreichte, sah ich lauter staunende Blicke. Nur Männer und jeder lud mich mit „welcome!!“ ein, seinen Laden anzuschauen. Sehr freundlich aber ich fühlte mich wie ein wandelnder Zoo 🙂

Jeddah-Al-Balad Jeddah-Al-BaladJeddah-Al-Balad Jeddah-Al-BaladJeddah-Al-Balad strassenkatzen

Sonnenuntergang

Ein idealer Spot für den Sonnenuntergang ist bei der Al Rahma Mosque. Es gab unzählige Moscheen, doch irgendwie gefielen sie mir von aussen nicht besonders und die, welche ich von innen sah, waren ebenfalls unspektakulär. Vielleicht wären die Männerabteile schöner, das kann ich jedoch nicht sagen.

Restaurants & Cafés

Traditionelles Essen gibts hier im مذاق زمان

Hier ein paar Restaurants und Cafés mit veganen Optionen, guten Kaffee und auch einer Möglichkeit zu arbeiten:

  • Boga Super Foods
  • Cup & Couch Cafe and Roastery
  • Viele Starbucks
  • Moon shell
  • Sinless
  • Zaatar W Zeit
  • Brew92
  • Poke Bowl
  • Falafel Al Sham
  • Caffein Lab
  • Alert Coffee
  • The Ritz-Carlton Jeddah (muss schön sein, ich war aber nicht da)
  • Caffe Aroma (war nicht da, sah aber cool aus von aussen)
  • Coffee Laws

vegane-pizza veganer-cinnamon-bun

Museen

Ich hatte nicht wirklich Museen besucht weil sie geschlossen waren, es gerade Prayer-Time (also fast immer) war oder ich keine Lust hatte. Folgende Museen sollen aber sehenswert sein:

  • Abdul Raoul Khalil Museum
  • Darwish Salamah Museum
  • Matbouli House (nur arabisch)
  • Nassif House Museum (kann sein, dass es nur auf Voranmeldung öffnet)

Auto mieten zum Zweiten

Für Ausländer war es noch nicht lange möglich, Autos zu mieten in Saudi Arabien. Viele Einheimische wussten das noch nicht und meinten oft, dass ich kein Auto mieten konnte. Bei den beiden Vermietern Al Wefaq und Key Car Rental konnte ich ohne Probleme ein Auto mieten, jedoch nur am Flughafen. Anscheinend sind die Systeme da anders oder offen für Ausländer.

autofahren-saudi arabien

Malls

Es gab überall Malls. Ich mag die gar nicht, aber die Saudis lieben sie anscheinend. Das kommt wohl daher, dass es die meiste Zeit draussen zu heiss ist und sie gerne einkaufen. Somit sind Malls die ideale Lösung. Das einzige, was ich im grossen Stil wohl einkaufen würde, wären die wunderschönen, farbigen Abayas in Jeddah. In der Red Sea Mail sah ich sooo viele schöne Abayas. Unglaublich. Falls du bis jetzt dachtest, dass es die nur in langweilig und schwarz gibt: falsch gedacht. Zudem waren alle internationalen Marken ebenfalls vertreten. Von H&M über Aldo, Victoria’s Secret und auch Luxusbrands.

Abaya

Ein Auge fürs Detail

Ob es die Strassenlampen, die Strassenführung oder die Kreisel sind. Überall sind die kleinen „Etwas“ versteckt. Diese Details machen vieles noch etwas spezieller. Ich kann mir vorstellen, dass ein Architekt sich in Saudi Arabien richtig ausleben kann und noch mehr Spass an der Arbeit hat. Diese Details sind jedoch nur in neueren Bauten zu finden. Alles ältere sieht aus wie überall.

safe-trip stadt ein-ausgang

Girls Dinner

An einem Abend traf ich mich mit Nada (Travel Blogger aus Jeddah), Esra und Alex von travelwithpurpose. Das war ein cooler Abend unter reisefreudigen Mädels. Wir gingen Essen und später noch in den neugeschaffenen Space von Qairawan.

Qairawan bedeutet „eine Gruppe reisende Menschen“ und das Arabische Wort ist die Wurzel von Karawane. Nada hatte mit Esra und zwei Freunden Qairawan gegründet mit dem Ziel, Menschen mit auf ihre Abenteuer in Saudi Arabien mit zu nehmen und eine Community zu erschaffen. Wichtig sind ihnen Minimalismus und nachhaltige Reisen.

Zwei Tage später fand der offizielle Eröffnungsevent von Qairawan statt. Es soll ein Treffpunkt für Austausch und Events werden. Sie zeigten Filme der letzen 17 Trips und es waren super coole Menschen da. Der Event hätte in Zürich sein können. Total international mit Mischling-Saudis.

saudi essen

Das ganz rechts im Bild ist Masoob, eine Spezialität aus Yemen. Ein Gemisch aus Bananen, Brot und wahrscheinlich noch Zucker. Die nicht vegane Version enthält zudem Honig und Creme. Dann gabs Hummus, ein paar vegetarische Gerichte, Brot und Tee. Leider hatte ich vergessen die Namen aufzuschreiben, aber es war lecker.

Roadtrip und Planung

Da die Übernachtungen, Busse und alles, was man so braucht zum Reisen zu teuer waren, hatte ich entschieden, ein Auto zu mieten und auch darin zu schlafen. Das hatte ich noch nie gemacht und es war mir schon etwas mulmig zu mute. Trotzdem entschied ich mich dafür.

Zudem plante ich, Saudi Arabien für ca. 3 Wochen zu verlassen, weil es sonst zu teuer wurde. Ende Januar kam eine Freundin, weshalb ich dann wieder im Land sein musste. Zum Glück war das Visum für 1 Jahr und mit multi-entry Option. Ich prüfte verschiedene Varianten mit Ägypten, Bahrain, Kuwait und Jordanien. Am Ende entschied ich, nach Tabuk zu fahren und von da nach Jordanien zu reisen. Wie würde sich noch zeigen.

Roadtrip Start in Jeddah

Ich startete also in Jeddah am Flughafen meinen Roadtrip nach Taif und die Westküste am Roten Meer, hoch nach Tabuk.

Jemand hat mir eine Stadt am Meer im Süden von Jeddah empfohlen und ich fuhr da hin. Da gab aber nichts ausser ein nicht aktives Ferienresort. Also suchte ich mir einen Platz am Meer wo ich essen konnte. Ich fuhr durch die Wüste und hoffte, dass ich den Weg wieder zurück finden würde.

Auf dem Weg begegnete ich zwei halb gesunkenen Schiffen und schönen Strandabschnitten mit klarem Wasser. Und leider viel Abfall. Um da unter der Sonne zu essen, war es viel zu heiss. Zwei Fischer luden mich ein, zu ihnen zu kommen. Ich fuhr jedoch lieber weiter und entschied Richtung Taif zu fahren.

Das sind die Freiheiten eines Roadtrips. Herumfahren wann und wo ich möchte, so machte es Spass. Genau so, wie in Vietnam, als ich den Roadtrip mit dem Motorrad machte.

Mekka

Die Autobahn führte an Mekka vorbei. Nach Mekka wollte ich mit einer Saudi Familie die mich gerne mitgenommen hätte, weil sie dachte, das sei kein Problem. Doch auf der Autobahn war am Checkpoint gross geschrieben „FORBIDDEN FOR NON MUSLIMS“. Weisse Schrift auf roten Grund. Ich informierte sie dann, dass ich nicht mitkommen werde, was wir beide sehr schade fanden. Ich hätte Mekka gerne gesehen und erlebt.

Da die Muslime jedoch für spezielle Rituale mit spezifischen Abläufen nach Mekka reisen, verstehe ich, dass herumstehende Touristen stören würden. Mekka ist heilig für Muslime und das sollte respektiert werden. Ich glaube sogar, wenn ich nach Mekka gegangen wäre (sie hatte mir die ganze Verschleierung besorgt) und sie mich erwischt hätten, wäre ich direkt aus dem Land geflogen. Was ja auch doof gewesen wäre.

Mekka

Natur und Paviane

Weiter ging es also nach Taif. Inzwischen wusste ich ja bereits, dass Saudi Arabien nicht nur eine riesige Wüste war. Auch dieser Weg führte auf guten Strassen durch die Berge, vorbei an schöner Natur. Die Berge hatten verschiedene Grüntöne. Manchmal waren sie bedeckt mit Gras, beheimateten Büsche und Bäume, manchmal waren sie karger. Wirklich ein zu empfehlender Weg.

Der Strasse entlang sah ich auch immer wieder viele Paviane (Affen). Ich war jetzt ja schon vorbereitet von meinem Ausflug in Abha und glaubte, die waren immer da, wo Menschen ihnen Essen gaben oder sie Müll und Essen fanden. Denn jedesmal wenn ich langsamer fuhr oder anhielt, kamen sie gerannt und schauten neugierig ins Auto.

Taif Taif Taif Taif

Taif

Taif liegt etwa 70 km südlich von Mekka und keine riesige Stadt aber trotzdem gross mit ihren 700’000 Einwohnern. In rund 70 Jahren stieg die Bevölkerung von 30’000 auf fast eine Million an. Für mich sind diese Zahlen immer wieder verblüffend, komme ich doch aus einem Land mit 8 Mio. Einwohnern und der grössten Stadt mit 400’000 Einwohnern.

Es war kälter und ich erreichte Taif kurz vor Sonnenuntergang. Da es die erste Nacht im Auto war, hatte ich keine Ahnung, wie ich einen Schlafplatz fand. Eine Freundin hatte mir die App „iOverlander“ empfohlen. Sie ist perfekt für einen Roadtrip, jedoch gab es noch nicht wirklich gekennzeichnete Plätze, da Saudi Arabien noch nicht so ein bereistes Land war. Auf GoogleMaps fand ich einige Pärke. Beim Al Jal Garden gab es viele Parkplätze und 24 Stunden zugängliche Toiletten. Also parkte ich da und suchte ein Restaurant wo ich mich gemütlich hinsetzten konnte. Ein Café war in der Nähe, ich musste nur etwa 10 Spuren überqueren. Aber darin war ich ja geübt.

Merlo Cafe

Als ich das Café betrat, waren alle Augen auf mich gerichtet und ich wusste, dass es da wohl selten Touristen gab. Die Frauen trugen alle den Niqab und ich war so zu sagen nackt. Trotzdem konnte ich ihr Lächeln sehen, wenn sie mich anschauten. Ich genoss einen Kaffee, hatte gelesen und um 21 Uhr ging ich zurück zum Auto und bereitete mich auf die Nacht vor.

merlot cafe

Die erste Nacht im Auto

Die Fenster hatte ich mit Schal, Tuch und Kleidern bedeckt und es mir auf der Rückbank bequem gemacht. Als ich schlafen wollte, realisierte ich, wie laut die Kinder im Park waren. Das fröhliche Gelächter dauerte bis nach Mitternacht. Als die Kinder weg waren, waren die Jungs laut und als die weg waren wurde es kalt. Die Nacht war also nicht die erholsamste. Zudem hatte sich meine rechte Hüftseite angefühlt, wie wenn sie einen blauen Fleck hätte. Das hatte sie nicht, aber der Sitz war wohl etwas zu hart und ich musste meinen Körper am Morgen erst mal dehnen. Der Gedanke an die nächsten Nächte, bereitete mir gleich noch mehr Hüftschmerzen. Ich musste einen Weg finden, damit es im Auto bequem wurde.

Nachdem ich alles zusammengelegt und das Auto wieder in ein Fahrzeug umfunktioniert hatte, suchte ich nach Kaffee. Guess what? Es war Freitag und alles geschlossen. In einer Mall war nur der Supermarkt offen. Alles andere war geschlossen.

Öffentliche Unterhaltung mit einem Mann

Ein Mann sprach mich an und fragte, ob ich etwas suche. Er wollte mich mitnehmen und mit mir ein offenes Café finden. Ich lehnte jedoch ab, da ich erstens ein Auto und zweitens eher vorsichtig bin, mit ins Auto steigen bei Fremden. Er fragte woher ich kam, war total erstaunt als ich sagte, dass ich Touristin sei und fragte nach meiner WhatsApp Nummer, damit wir schreiben konnten. Er fühlte sich sichtlich unwohl in der Öffentlichkeit.

Ich sagte ihm, dass wir uns jetzt hier unterhalten können. „Es ist verboten“, entgegnete er. Er wusste zwar, dass es nicht verboten war, aber es war vielleicht das erste Mal, als er sich mit einer fremden Frau in der Öffentlichkeit unterhalten hatte. Das gab es lange Zeit nicht und ist auch in Jeddah und Riyadh noch nicht für alle normal. Ich verabschiedete mich nach einem kurzen Gespräch und fand bei einer Tankstelle glücklicherweise ein offenes drive-in Café.

Verhältnis zwischen Frau und Mann

Vielleicht kurz eine Erklärung, die mir ein Saudi gegeben hatte. In der Vergangenheit war es so, dass Kinder im Alter von 15 Jahren in der Schule getrennt wurden. Das war und ist immer noch normal. Wenn die Jungs und Mädels „gross“ sind, wissen sie, dass sie in separate Schulen gehen und sich künftig nur noch mit dem gleichen Geschlecht abgeben. Das ist weder komisch noch ein Problem, sondern genauso normal, wie für uns das Gegenteil normal ist. Anders ist es in internationalen Schulen.

Wie bereits erwähnt, waren auch öffentliche Plätze wie zum Beispiel in Restaurants unterteilt in „Single“ und „Family Section“. Mit Single sind die Männer gemeint, denn die Frauen waren früher immer in Begleitung von Männern. Mich irritierte es das erste Mal, als ich vor einer Tür stand auf der direkt vor meinem Gesicht gross „single“ stand. Es fühlte sich an, als ob ich eine Dating-Area betreten würde 🙂

Für die Saudis war das alles ganz normal. Da sie meistens grosse Familien mit Mutter, Vater, Grosseltern, vielen Geschwistern und somit auch viele Onkel, Tanten, Nichten, Neffen usw. haben, kann ich verstehen, dass es oft gar keinen Grund für Kontakt zum gleichen oder auch anderen Geschlecht braucht, denn da ist immer Rambazamba im erweiterten (durchmischten) Familienkreis.

Da auch Liebesbeziehungen ohne Hochzeit in der Vergangenheit verboten waren (auch heute noch aber immer mehr existieren) und oftmals auch innerhalb der Familie die Hochzeit unter Cousins statt fand, brauchte es schlicht und einfach keine Mischung. Es gibt dafür bestimmt noch viele andere und unterschiedliche Gründe. Gewisse benutzen das bestimmt als Unterdrückung und zur Kontrolle und je nach Einstellung, Grad der Konservativität (du weisst was ich meine) und Auslegung der Religion, sieht es auch anders aus.

Tatsache ist, dass das Gesetz der Trennung in öffentlichen Räumen aufgehoben wurde im Dezember 2019. Wir werden sehen, wie sich die Situation entwickelt und wie schnell sie sich verändern wird. Ich bin immer suuuuper gespannt, was mich in solchen Ländern in 5 oder 10 Jahren erwarten wird. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch viele Menschen diese Trennung und andere Regeln schätzen.

Taif Altstadt

Nun aber zurück nach Taif. Nachdem ich einen Kaffee gefunden hatte, fuhr ich in die Altstadt. Dort wollte ich mir den Souk (Markt) ansehen. Ich fuhr direkt ein, als der Muezzin zum Gebet rief. Das heilige Freitagsgebet. Es gab nur Männer auf der Strasse und in den Autos. Und mich.

Ich parkierte und wartete im Auto, bis das Gebet vorbei war. Danach lief ich Richtung Souk. Die meisten Geschäfte waren geschlossen. Und es liefen nur Männer herum. Alle waren sehr freundlich und sichtlich überrascht, mich da zu sehen.

Souk Taif Souk Taif Taif Taif-Moschee

Ich kaufte Miswak für die Zähne (hier lesen was Miswak ist). Dasselbe machte auch ein Vater mit seinen 3 Söhnen. Die Kids schauten mich überrascht und interessiert an. Der Vater schien ein eher konservativer gewesen zu sein, denn er sah mich kurz an und drehte sofort seinen Kopf weg. Danach ignorierte er mich.

Souk Taif Miswak

Das fiel mir bisher allgemein auf. Die konservativeren und wahrscheinlich auch religiöseren (entsprechender Bart und Kleidung) wichen mir und Blickkontakten strickt aus.

Am Ende wollte ich in die eine Moschee rein und fragte zwei Mädels, ob ich konnte, wenn ich meinen Kopf bedeckte. Sie waren überrascht ab meiner Frage und ich glaube, ich hätte sogar ohne Kopftuch rein gehen können.

Taif-Moschee

Danach machten wir ein Selfie und ein junger Herr kam zu uns gerannt und wollte auch eines mit mir. Die waren lustig und süss.

Souk Taif

Veränderung meines Verhaltens

An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass ich an mir, einige Veränderungen und Anpassungen festgestellt hatte. Zum einen achte ich automatisch darauf, dass wenn ich jemandem Geld, Früchte zum wägen oder das Telefon in die Hand gebe, dass ich das Gegenüber nicht berühre (gläubige Muslime berühren das andere Geschlecht nicht). Bei uns passiert das automatisch immer mal wieder.

Wenn nur Männer da sind, egal ob im Restaurant, im Bus oder auf der Strasse, schaue ich wie durch sie hindurch und nicht in die Augen. Und wenn ich im Hostel einen europäischen Mann nur in Unterhosen sehe, bin ich genau so geschockt, wie wenn sich ein paar in der Öffentlichkeit zu nahe kommt 🙂

Keine Fotos von Menschen

In der Moschee machte ich Fotos und entdeckte eine Gruppe Frauen am Boden. Sie sassen da und assen ihr Mittagessen. Ich hatte mein Handy in der Hand und die eine sah es. Sie meinte ganz entsetzt „no photo!!“. Ich versicherte ihr, dass ich sie nicht fotografieren werde und konnte sie beruhigen.

Die Menschen, Frauen und Männer, in Saudi Arabien waren recht sensibel was Fotos anbelangte. Warum genau hatte ich nicht herausgefunden. Bei Frauen ist oft das Thema, dass sie, wenn sie nur unter Frauen sind, wie z.B. in der Moschee, ihr Gesicht oder auch die Haare zeigen. Wenn dann ein Foto gemacht, gepostet oder nur schon einem anderen Mann gezeigt wird, verstösst das gegen ihre Regeln und Bedürfniss. Sie wollen sich nicht anderen Männern zeigen. Deshalb sollten keine Fotos ungefragt gemacht und schon gar nicht ungefragt in Social Media geteilt werden.

Sah Shafa

Da es in Tarif nichts gab, fuhr ich nach Sah Shafa (2200 m.ü.M.). Dort sollen Früchte herkommen und ich erwartete einen grossen Früchtemarkt, ein weiteres Roadtrip-Highlight. Angetroffen hatte ich Nebel, Kälte und Freizeitparks. Das mögen die Saudis. Wasserpfeife und Entertainment. Genau das, was mir nichts sagt. Also spielte ich kurz Touristenattraktion und fuhr dann weiter.

Taif

Zwischen den Büschen fand ich ein Kamel. Die Spuren am Körper wiesen eindeutig darauf hin, dass es für Touristen-Reit-Erlebnisse missbraucht wurde.

Hier eine Bitte: Tiere sind nicht gemacht um uns zum Spass oder für Rennen auf sich Reiten zu lassen. Wenn du Tiere liebst, dann bitte verzichte auf jegliches Reiten im Urlaub. Nur weil sie es machen und können, heisst das nicht, dass sie das wollen und sie keine Schmerzen haben. Oft, zum Beispiel bei Elefanten, werden sie mit ganz schlimmen Mitteln solange gefoltert, bis ihre Seele gebrochen ist und sie Menschen auf sich reiten lassen. Schau dir das kurze Video „Elephant rides in Thailand: Fun or cruel? | DW Documentary“ ab der 9. Minute auf Youtube an.

Wo blieb der WOW-Effekt?

Manchmal denke ich, weil ich schon so vieles auf dieser Welt gesehen habe, kann ich Dinge nicht mehr schätzen. Doch dann verstehe ich auch wieder, dass nicht alles für jedermann sein kann. Saudi Arabien war, solange ich nur die Städte sah, alles irgendwie normal und vertraut. Klar, alles war auch irgendwie anders, aber nicht fremd.

Als ich mich dann in das Land und abseits der Städte begab, da fühlte ich dieses „wow!“ und wusste, dass es auch in Saudi Arabien existierte. Die abwechslungsreiche Natur und das Zusammenspiel der Natur, Tiere und des Wetters war manchmal atemberaubend und faszinierend.

Taif

Taif

Taif

Zweiter Schlafplatz

Erst als es dunkel war erreichte ich die nächste Stadt. Wie ich in der Wüste oder am Rand irgendwo einen Schlafplatz finden konnte, wusste ich nicht. Also fuhr ich in die Stadt und fand … nichts. Nicht einmal ein WC für Frauen. Ich entschied mich, das Auto am Ende einer Wohnsiedlung zu parkieren zwischen Katzen und Müll. Es war gerade Prayer-Time und ich traute mich, die Tür zu öffnen und Wasser zu lösen 🙂

Danach verkroch ich mich im Auto, richtete mich ein und las bis ich müde war.

Am nächsten Morgen fuhr ich an Jeddah vorbei und tauschte das Auto durch ein etwas Grösseres. Eines mit 5 Plätzen und einem grösseren Kofferraum. Mein Plan war, dass ich die Sitze runterklappen und so meine Liegefläche vergrössern konnte.

Ein Strassenabenteuer in Thuwal

Ich fuhr nach Thuwal, was ein kleines Fischerdorf sein sollte. Mir fiel allgemein auf, dass überall Häuser gebaut wurden. Und riesige, breite Strassen und Kreisel. Ob das notwendig ist? Vielleicht erwarten sie 20 Mio. neue Menschen in nächster Zeit. Jedenfalls war die schöne Omar Bin Al Khattab Moschee beim Stadteingang sehenswert.

Al Khattab Moschee

Und danach startete ein kleines Abenteuer. GoogleMaps kannte Wege, die es nicht gab. Vieles war neu und im Bau. Auch Strassen. Zum Glück war ich meistens alleine, denn ich endete mehrmals auf der falschen Spur, und fuhr im Kreis. Überall fand ich Mauern. Dahinter war anscheinend ein Universitätsgelände. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass das tatsächlich so riesig war. Doch es gab keine Stadt und für mich war das Ganze etwas komisch und mein herumirren sehr amüsant.

Einmal alle Regeln vergessen bitte!

Ich bin noch nie in meinem Leben rückwärts gefahren auf einer Hauptstrasse, weil ich die Abbiegung verpasste, oder merkte, dass ich auf der falschen Seite fuhr. Unglaublich. Aber die Strassenführung hatte echt Verbesserungspotential. Und Schilder fehlten auch. Irgendwann endete eine geteerte Strasse. Dahinter waren Häuser und ihre Zufahrtsstrasse bestand nur noch aus Sand. Spannend diese Kontraste überall. Auch die Polizei konnte mir nicht wirklich helfen, weil sie nur arabisch sprachen. Nach viel Gelächter erreichte ich irgendwann wieder die Moschee.

In der Schweiz steht immer irgendwo ein Radarkasten, ein Polizist oder eine der tausend Regeln und Verbote. In Thuwal habe ich alles über den Haufen geworfen und musste einfach nur lachen. Zum Glück hatte es keinen Verkehr. Irgendwann erreichte ich die Universität und dachte, vielleicht war drin ja die Stadt. Doch: Fehlalarm.

Zu erst wurde das ganze Auto gescannt und dann waren da Polizisten. Der eine sprach englisch, war nett und wir lachten viel. Aber ich musste wieder raus. Also, fertig Thuwal. Da gab es nichts, ausser eine schöne Moschee.

Ich fuhr zur Corniche, einem Platz am Strand, machte mir einige Wraps, ass mein Mittagessen und fuhr weiter.

Tiertransporter und Halal

Manchmal begegneten mir Tiertransporter. Das finde ich ja echt schrecklich. Tiere zusammengedrängt auf dem Weg in den Tod. Muslime achten darauf, dass das Fleisch „halal“ ist. Halal bei den Muslimen und Kosher bei den Juden sind spezielle Regeln, die eingehalten werden müssen bei der Produktion von Lebensmitteln. Einige Muslime meinen, dass sie dadurch den Konsum rechtfertigen können, weil sie es besser machen. Tatsache ist, dass bei halal wichtig ist, dass das Tier von der Geburt bis zum Tod nie leidet. Wäre ja schön, wenn das mindestens umgesetzt werden würde ….

tiertransport

Rabigh Beach Camping

Nada liebt es zu Reisen und kennt Saudi Arabien recht gut. Sie hat mir einige Tipps gegeben. Einer war, am Strand ausserhalb von Rabigh zu übernachten. Der Weg war sehr schön und das Meer ebenfalls. Ich war immer noch etwas unsicher, wenn ich da einfach in der Wüste herum fuhr und eigentlich keine Ahnung hatte worauf ich achten musste.

Irgendwann fand ich einen schönen Platz, 11 km ausserhalb der Stadt und entschied, da zu schlafen. Es gab Muscheln, einen toten aber schönen Pufferfisch, Abfall und mich. Ich wollte die Sitze runterklappen und mein Bett vergrössern. Doch das war das erste Auto, das ich sah, das einen Kofferraum und Sitze hatte, ich jedoch die Sitze nicht runterklappen konnte. Super, nun hatte ich ein grösseres Auto und konnte es gar nicht nutzen.

Ich setzte mich hin und genoss den Sonnenuntergang. Danach verkroch ich mich ins Auto. Es war schon ein komisches Gefühl, so weit weg von der Zivilisation, alleine und in einem fremden Land. Aber so war es und ich hoffte auf eine ruhige Nacht und viele Sterne.

In der Hoffnung, dass es sich weicher anfühlte, legte ich für diese Nacht meine Yoga-Matte zusammengefaltet als Unterlage auf den Sitz. Wirklich geholfen hatte es aber nicht. Die Rückbank war nicht die bequemste, aber das gehörte wohl zum Roadtrip Erlebnis dazu.

rabigh rabighrabigh rabigh

Besuch in der Nacht

Um 23:00 Uhr wurde ich geweckt. Ich schaute aus dem Fenster und sah ein Militärfahrzeug und zwei Soldaten. Komplett verwirrt öffnete ich das Fenster. Schnell merkten wir, dass wir uns nicht unterhalten konnten. Sie waren erstaunt, dass ich da alleine im Auto war. Mehrmals hatten sie nachgefragt, ob ich alleine sei.

Plötzlich war ich unsicher, ob sie dachten, dass ein anderes Auto vielleicht im Meer landete, denn sie schauten eine Spur sehr genau an, die Richtung Wasser führte. Ich versuchte Freunde zu erreichen, damit sie übersetzen konnten. Doch irgendwie war das Netz schwach oder/und sie schliefen. Irgendwann fuhren die Soldaten weg und ich konnte weiterschlafen.

Am Morgen war es kühl, aber herrlich, direkt am Meer zu erwachen. Ich machte mein Frühstück, Yoga und genoss den erwachenden Tag.

rabigh

Küstenpolizei (coast guards)

Nada erklärte mir, dass ich mich immer bei der Küstenpolizei anmelden sollte, damit sie wissen, dass ich da sei. Rein aus Sicherheitsgründen. Also fuhr ich am Morgen zur Küstenpolizei um abzuklären, was ich das nächste Mal genau machen sollte.

Der Herr an der Schranke sah mich und traute seinen Augen nicht. Ich fragte ob er englisch sprach und er meinte lachend „no, noooo!“ und rief jemanden an. Danach konnte ich ins Gebäude rein. Doch da war niemand. Also lief ich ins erste Büro. „No English“. Hmmm… Wer sprach denn da englisch? Der Herr lief zu einem anderen Büro und fragte, ob er englisch sprach. Er öffnete die Tür und dahinter schaute ein sympathisches und lachendes Gesicht hervor.

Der war übrigens nicht nur sympathisch sondern auch sehr hübsch (oops.. psssst. Das soll eine Frau wahrscheinlich nicht sagen in einem religiösen Land. Sonst müssen sich die Männer auch noch verschleiern ;-). Der musste sein. Ich wurde nämlich schon öfter aufgeklärt, dass Frauen aufreizen können, umgekehrt die Gefahr jedoch nicht bestünde). Jedenfalls hatte ich mich entschuldigt, dass ich mich nicht angemeldet hatte, fragte ihn wo man schnorcheln könne und wir unterhielten uns übers Reisen und meinen Roadtrip in Saudi Arabien.

Also wichtig: immer bei den nächsten Coast Guard anmelden!

Schnorcheln

Leider fand ich keinen Tauch-Shop der offen war und somit wurde es nichts mit Schnorcheln (bring am besten Schnorchel-Equipment mit). Ich schaute auf der Karte und GoogleMaps zeigte, dass es in der Nähe noch einen anderen Strand hatte, also folgte ich der Navigation.

Irgendwann befand ich mich wieder in der Wüste. Kamele überquerten die Strasse, ich fuhr vorbei an von Salz bedeckten Flächen und schöner Natur. Ich mag den Kontrast zwischen blauem Himmel und braunem Sand. Bald erreichte ich einen schönen Platz am Meer inkl. Schatten Hüttchen. Beim White Sand Beach – Saudi Aramco  in Yanbu. Da konnte ich Mittag essen und etwas ausruhen. Auch hier fand ich klares Wasser und es war einfach nur schön. Und sehr windig.

Strand

Yanbu

Die nächste Station war Yanbu. Super modern und es sah aus wie in Florida. Es gab sogar Fussgängerstreifen und Geschwindigkeitstafeln mit englischen Zahlen! Ich traute meinen Augen nicht und hatte eh ab und zu das Gefühl, dass vieles in Saudi Arabien eine Kopie aus Amerika war. Ob Häuser, Strassen, Malls oder die Fast Food Kultur.

Yanbu YanbuYanbu Yanbu

Natürlich hatte ich mal wieder Hunger während der Prayer-Time. Subway war offen, hatte ein veganes Sandwich, aber keinen Platz für mich. Ob wohl seit einer Woche offiziell das Gesetz aufgehoben war, dass Frauen/Familien und Männer getrennte Abteile und Eingänge in Restaurants hatten, war dieser Subway nur für Singles, sprich Männer. Den Filipinos, die da arbeiteten, war es etwas unangenehm und sie boten mir an, dass ich drin essen konnte. Natürlich setzte ich mich in mein Auto und ass da, denn die Veränderung passiert langsam und nicht von heute auf morgen. Und das ist ok.

Übrigens waren die Prayer-Zeiten an dem Tag um 5:11, 6:34, 11:54; 14:55, 17:15 und 18:45. Jeden Tag ändern sich die Zeiten, da sie vom Sonnenauf- und untergang abhängig sind.

Später suchte ich eine Mall, denn ich musste endlich mal ein paar Kleidungsstücke und mich etwas waschen. War ja doch schon 3 oder 4 Tage her, seit der letzten Dusche. Also schloss ich mich in einer Toilette ein und nutzte den Schlauch, der nach dem Toilettengang verwendet wird um die intimen Zonen zu reinigen. Nicht die luxuriöseste Waschanlage, aber es funktionierte ziemlich gut.

Danach wollte ich mich gemütlich in den Starbucks setzen. Doch der war wieder geschlossen. Wir warteten bis er auf machte. Etwa eine Stunde später war ich vertieft am schreiben und wurde mit dem Kaffee rausgeworfen. Prayer-Time. Ich konnte nicht mehr und lachte laut raus. Es war einfach immer Prayer-Time von Mittags bis Abends.

Yanbu Yanbu

Geschlafen hatte ich auf dem Parkplatz eines schönen Parkes direkt an der Küste. Da gab es auch ein geheiztes Toilettenhäuschen. Luxus pur.

Yanbu hatte eine Altstadt. Sie war klein aber schön und direkt am Hafen. Es gab auch eine Ölraffinerie und dahinter sah es mehr nach normalem Middle East Leben aus.

Yanbu Yanbu

Es gibt übrigens nicht nur drive-in Cafés sondern auch drive-in Bankomaten. Eine coole Erfindung. Als ich auf Instagram gefragt hatte, ob es sich dabei um eine Tankstelle für Frauen oder einen Drive-in Bankomat handelte, teilten sich die Vermutungen.

Wenn der 4×4 fehlt

Meine Weiterreise sollte mich an einen verborgenen Strand führen. Zu erst landete ich wieder auf Wüstenstrassen. Danach kam ich an einer kleinen Farm vorbei, wo die Schafe in einfachen Käfigen in der Sonne gehalten wurden. Das war traurig zu sehen. Als ich mich dem einen Schaf näherte, war es irgendwie verstört. Ich wollte es nicht stressen und fuhr weiter in die Richtung, die mir GoogleMaps anzeigte.

Der Weg führte über kleinere und grössere Steine und manchmal dachte ich, dass es vielleicht nicht die beste Idee war, eine solche Strasse zu fahren mit einem normalen Auto. Doch nun war ich da und probierte es. Die Steigung führte hoch über Stock und Stein, bis ich an einem Punkt dachte, dass ich da gar nicht mehr runter komme. Die Steine und Steigungen sind auf dem Bild nicht zu sehen, denn als sie da waren, hatte ich keine Zeit ein Foto zu machen 😉

Ich stieg aus und lief los in das grosse Nichts. Ich lief und lief und lief und der Strand oder die Klippe schienen so weit entfernt, dass ich gar nicht wusste, wie lange es noch dauern würde. Und wo mein Auto stand, wusste ich auch schon nicht mehr. Also drehte ich um und hoffte, dass ich das Auto wieder fand und ich beim fahren nicht runter rutschte. Natürlich ging alles gut, aber es war definitiv nicht die beste Idee ohne 4×4 da hoch zu fahren!

kein 4x4

Umluj

Das sollte das Paradies sein. Schöne Strände und perfekt zum Schnorcheln. Es war tatsächlich wunderschön. Aber irgendwie sah ich nur Hinweise, dass schwimmen verboten war. Ich lief, fuhr herum und es sah echt traumhaft aus. Mit Schnorcheln wurde es aber nichts, aber wer weiss, vielleicht komme ich ja zurück. Jedenfalls entdeckten mich zwei Kids, der eine war 16, fuhr einen Pickup und rauchte. Der andere sah noch jünger aus. Sie wollten Selfies machen und dachten, ich sei ein Youtuber. Leider nein.

Umluj Umluj

Snapchat ist bei den Saudis recht aktuell. Und TikTock bei den Jüngeren. Dafür wurde ich schon ein paar Mal angefragt, ob wir was machen. Da ich keine Ahnung hatte, was das war, sagte ich immer nein. Richtig spiessig.

Kinder am Steuer

Anfänglich war ich entsetzt, als ich Kinder am Steuer sah. Mir wurde erklärt, dass, als Frauen noch nicht fahren durften (bis 2018), setzten sie oft die Jungs ans Steuer, weil sie trotzdem von A nach B kommen mussten. Und ganz ehrlich, die Autos sind alle automatisch. Wenn man einem Kind beibringt, dass es Gas geben und bremsen muss, dann schafft es das auch. Sooo schwer ist das nicht und learning by doing funktioniert immer.

Kids am steuer

Schnorcheln in Umluj?

In Umluj war wieder mal alles geschlossen wegen Prayer-Time oder warum auch immer. Also lief ich herum, spielte wandelnder Zoo, suchte einen versteckten Ort zum Wasser lösen (es war ja alles zu) und rief um 16.00 Uhr, den Tauchshop Inhaber an. Er meinte es sei geschlossen und er könne keine Schnochelausrüstung ausleihen. Doch er wollte mir unbedingt etwas anbieten und in ein paar Tagen einen Tauchtrip machen. Es könne nicht sein, dass ich das Land bereise, in Umluj war und er mir nichts bieten konnte. Total lieb und wirklich süss, aber ich musste weiter fahren.

Wie immer wurde es früh dunkel. So wusste ich auch an diesem Tag nicht, wo ich schlafen sollte. Da ich mich sowieso bei der Küstenpolizei melden sollte, dachte ich, ich fahre dahin und frage, ob ich bei ihnen auf dem Parkplatz oder in der Nähe schlafen konnte. Ich kam an und fand zwei junge Männer in einem Häuschen. Beide sprachen kein englisch, waren aber sehr höflich, boten mir sogar Zigaretten an und schalteten einen englischen TV-Sender ein. Sie riefen einen Kollegen an, der englisch sprach. Dieser platzierte mich hinter einem Stein wo ich etwas geschützt war und schlafen konnte.

sonnenuntergang

Am morgen sollte ich mich melden als ich los fuhr, sie machten ein Foto meines Passes und alles war gut. Diese Idee, schlafen bei den Coast Guards, gefiel mir.

Was, wenn es keine WC’s gibt?

Das war tatsächlich eine Frage, die mich regelmässig beschäftigte. Da ich mich in einem konservativen muslimischen Land befand und ich sowieso die einzige Frau alleine war, wollte ich nicht noch für mehr Aufregung sorgen und vielleicht gegen irgendwelche harten Gesetze verstossen. Auf dem Highway anhalten, wenns mal einen Busch oder Stein gab, das war ja noch etwas. Aber wenn es hell war, andere Menschen in Sichtweite waren oder es dunkel war und draussen wilde Hunde auf der Hut waren… Ja, das waren manchmal Situationen, in welchen ich den Kaffee verfluchte.

Auf mehrfache Empfehlung, eine Flasche im Auto zu verwenden, versuchte ich es. Und obwohl die Öffnung wirklich genügend gross war, war der erste Gebrauch doch mit ziemlich viel Adrenalin verbunden. Was, wenn es daneben geht? Stell dir vor wie das Auto dann stinkt. Und erst die Gesichter, wenn ich das Auto zurück bringe! Natürlich passierte nichts und ich konnte die Flasche total cool aus dem Fenster ausleeren und beruhigt schlafen.

Wadi Disah

Die ersten Stunden nach Sonnenaufgang verbrachte ich auf der Strasse, mein Ziel war das Wadi Disah. Der Weg führte mich durch die Wüste, vorbei an Bergen und schönen Meerabschnitten. Die Natur in Saudi Arabien ist wirklich sehenswert. Vielseitig, verschiedenfarbige Berge in verschiedenen Formen und nach der Wüste befindet man sich plötzlich auf einer Strasse zwischen grünen Bäumen. Und dann empfängt einem eine Schlucht.

saudi arabia

saudi arabia

saudi arabia

Als ich ankam, standen da grosse Chevrolets (ich kenn mich leider mit Autos nicht aus). Sie sahen aus wie neu. Keine Dellen, keine Kratzer, nichts, was ziemlich untypisch für Autos in Saudi Arabien ist. Am Ende der Strasse stand ein Polizei Auto, das den Weg versperrte. Ich dachte nur „es ist keine Prayer-Time. Wenn diese Schlucht nun auch geschlossen ist, dann krieg ich eine Krise.“ Glücklicherweise war nur die Zufahrt mit dem Auto gesperrt, weil die Amerikanische Botschaft einen Ausflug machte. Ich konnte normal hineinlaufen.

Wadi Disah Wadi Disah

Nach wenigen Minuten stand ich vor einer riesigen Pfütze. Niemand ging ohne Auto durch. Da mein Auto nicht erlaubt war, zog ich die Schuhe aus, hielt alle meine Kleider hoch und musste meine Knie zeigen (uuuuh), denn das Wasser ging bis zu den Knien. Es kam noch eine zweite Pfütze aber danach war ich drin.

Palmen und Büsche standen am Fusse riesiger Felsen. Roter Felsen. Die Farben waren unglaublich und die Ruhe ohne Menschen wunderbar. Bis ein Hund anfing zu bellen. Aber zum Glück nicht zu nahe kam. Wie tief das Tal war, wusste ich nicht. Ich lief einfach und drehte nach einer Stunde laufen wieder um. Ich war immer wieder fasziniert von der Schönheit der Natur. Ein Besuch im Wadi Disah ist definitiv ein Muss.

wadi disah wadi disah

Nach diesem wunderschönen Ausflug in die Natur ging es für mich weiter nord-westwärts. Restaurants und Märkte waren nicht zu sehen oder geschlossen. Zum Glück befand sich das Royal Tulip Restaurant auf dem Weg. Es war total luxuriös und ich wurde behandelt wie eine Königin. Am Ende hatte ich nur gedämpftes Gemüse für 12 USD gegessen. Es war die günstigste und gesündeste Option.

gemüse

Meinen Schlafplatz fand ich in einem kleinen Dorf in der Nähe, direkt am Strand. Es war schön ruhig, gemütlich und die Nacht verlief ohne Störung. Es gab nur bellende Hunde, die ihr Revier verteidigten oder miteinander spielten.

NEOM

NEOM ist ein Projekt, das ich online schon gesehen hatte. Einige sagten mir, dass da Millionen investiert und schon gebaut wurde. „Neom City“ hatte ich auf GoogleMaps gefunden und dachte, dass ich einfach mal hinfahre und mit Menschen rede. Ich fuhr und plötzlich meinte GoogleMaps „you have arrived at your destination.“. Ich war mitten auf dem Highway und da war weit und breit nichts.

Mein Benzin wurde langsam knapp und ich dachte, irgendwo muss doch mindestens eine Tankstelle kommen. Fehlalarm. „End of the Road“ und dahinter nur Meer und ich hatte fast kein Benzin mehr. Mir blieb nichts anderes übrig als zurück zu fahren. Das Benzin sollte gerade knapp reichen bis zur nächsten Ortschaft. Und genau so war es. Noch für 10 Kilometer mehr hätte es gereicht. Ich fand kein NEOM, aber dafür schöne Landschaft und ich hatte wieder einen vollen Tank.

Weiter führte mich die Fahrt entlang des Meeres und fernab der Zivilisation nördlich Richtung Jordanien. Zwischen Bergen und Hügeln und immer wieder in Sichtweite: das Rote Meer.

Wadi Tayyb-Esm

Ein weiteres Wadi das zum Glück da war. Es gehört irgendwie zum Projekt NEOM. Aber ehrlich gesagt verstand ich das Projekt nicht. Und dass da schon gebaut wurde stimmte anscheinend auch nicht, der Kredit sei noch nicht mal genehmigt war meine letzte Information.

Doch nun, auf der anderen Strassenseite des Meeres, befand sich der Eingang in eine schmale Schlucht. Das Wadi Tayyb-Esm. Ich parkierte unter den Palmen und lief los. wadi tayyeb esm

Nach kurzer Zeit sass ein junger Mann am Boden und lud mich ein zum Kaffee trinken. Ich setzte mich hin, wir tranken Kaffee und machten ein Selfie. Dann ging das Gespräch etwa so:

Er: Woher kommst du? Wie alt bist du? Was machst du in Saudi Arabien?

Ich: Ich komme aus der Schweiz, bin 33 Jahre alt und Touristin.

Er: Bist du mit einer Gruppe hier?

Ich: Nein, alleine.

Er: Keine Gruppe? Wer ist mit dir hier?

Ich: Niemand, ich bin alleine.

Er: Bitte entschuldige mein englisch, ich meinte, wer ist mit dir unterwegs?

Ich (lachend, weil ich die Situation schon kannte): Ich bin ganz alleine. Ohne Gruppe. Ich habe ein Auto gemietet und bereise Saudi Arabien alleine.

Er machte grosse Augen und konnte es nicht fassen. Dann schüttelte er den Kopf, lachte und ich lief los in die tiefe Schlucht des Wadi Tayyb.

Mit verschiedenen Pflanzen, Büschen, Bäumen und viel Ruhe hatte die Natur im Wadi Tayyb-Esm eine wunderschöne Oase geschaffen, in welcher ich fast die ganze Zeit alleine herumlaufen konnte. Die Schlucht sei 7 Kilometer lang, da könnte man den ganzen Tag darin verbringen und die Formationen bestaunen. Auf dem Rückweg sah ich oft gar nicht, wo es durch ging, da der Weg hinter dem Felsen und recht schmal war.

wadi tayyeb esm wadi tayyeb esm

Als ich das Wadi wieder verlassen wollte, sassen da auf einmal vier Männer. Der eine, der älteste, sprang auf, winkte mich zu ihnen, kam, machte Selfies und Videos und dann setzte ich mich.

Der war etwas zu viel. Er wollte mich heiraten, zeigte mir Fotos und Videos von Geld und Gold im Auto und meinte, er sei Geschäftsmann und könne mir alles kaufen. Ich erklärte dann, dass ich selber arbeiten könne. Er war etwas enttäuscht, fand es aber gut. Sagte er zumindest via GoogleTranslate. Ich finde diese Sprüche generell sehr doof und denke, das dürfen die Männer auch in Ländern wie Saudi Arabien lernen.

wadi tayyeb esm

Allzu lange blieb ich nicht da, denn ich musste ja auch wieder einen Schlafplatz finden.

In einem kleinen Städtchen fand ich zum Glück einen Falafel Shop, der mir ein veganes Falafel-Sandwich ohne frittiertes Gemüse und ohne Ei, dafür aber mit Salat machte. Denn mein Lebensmittelvorrat war schon fast aufgebraucht und Nachschub konnte ich nicht wirklich finden.

Die Falafel Sandwiches enthalten übrigens immer Hummus und/oder Tahina-Sauce (Sesam) und sind nicht nur sehr günstig (50 Cent), sondern auch sehr lecker.

falafel

Ich fuhr weiter und die Sonne senkte sich immer mehr. Es war eine schöne Stimmung mit den Bergen im Abendrot. Doch eine Schlafplatz finden wurde so auch schwieriger. Also entschied ich, wieder die Küstenwache aufzusuchen, denn das hatte ja gut geklappt. Dass jedoch mit diesem Gedanke eine eher ungemütliche Nacht anbrach, damit hatte ich nicht gerechnet.

Sonnenuntergang

Die letzte Nacht im Auto

Als ich ankam waren da zwei Polizisten. Genau genommen waren sie die Küstenpolizei und Grenzwächter, denn das Rote Meer stellt die Grenze zu Sudan, Ägypten, Israel und Jordanien dar. Beide sprachen kein englisch. Ein dritter kam dazu und mit GoogleTranslate versuchte ich zu erklären, dass ich im Auto schlafen wollte, aber nicht wusste wo, da es dunkel war und ich mich nicht auskannte.

Sie waren überrascht, entsetzt und was weiss ich. Ein vierter konnte etwas englisch und rief einen Freund an. Dieser übersetzte und fragte, ob der Officer mir ein Hotel buchen soll. Falls es wegen dem Geld sei, würde er das übernehmen. Krass oder?!

Ich erklärte wie ich reiste und dass es ok war, im Auto zu schlafen. Irgendwann hatten sie es verstanden und akzeptiert und überlegt, wo ich schlafen konnte. Sie gingen immer wieder rein und kamen raus, brachten mir Tee und lachten. Irgendwann konnte ich dem einen nachfahren. Ein Stück runter hinter einen Stein. Er gab mir seine Nummer und fuhr davon.

Bereit für die letzte Nacht an der Küste

Wie immer richtete ich mich ein und hatte erstaunlich gut geschlafen, für ein paar Stunden. Danach wurde ich geweckt von einem der Herren. Ich öffnete das Fenster beim Fahrersitz. Er fragte ob alles ok sei, brachte mir Tee und zwei Wasser und fragte ob ich warm genug hätte. Mega lieb! Komisch war nur, dass er irgendwie meine Hand zu berühren versuchte, als er mir das Wasser gab. Dann fuhr er davon und sagte „bye my friend“ und machte ein Kussgeräusch. Was auch immer das sollte. Ich schloss das Fenster und schlief weiter.

Etwa um 1.30 Uhr wurde ich nochmals geweckt. Ich öffnete wieder das Fenster. Zwei andere Herren waren diesmal da. Sie sprachen arabisch und ich war nicht sicher, ob ich sie vorher schon gesehen hatte. Es war dunkel und sie trugen Mützen, weil es kühl war. Eine Unterhaltung klappte nicht. Der eine fragte dann mit Handzeichen, ob ich alleine sei. Ich sagte ja und er wollte die hintere Tür des Autos öffnen. Warum auch immer.

Natürlich und zum Glück war die Tür geschlossen. Der andere meinte dann irgendwas mit „my friend no Problem“ und versuchte nochmals die Tür zu öffnen. Da wurde es mir etwas mulmig. Denn warum zum Teufel wollte der Typ in mein Auto kommen?!

Sein Kollege griff dann mit der Hand durch das Fenster und wollte von innen die Hintertür öffnen. Ich schlug ihm auf die Hand und sagte bestimmt „No!“. Wir waren alle etwas verwirrt und ich leicht verängstigt. Ich schloss das Fenster und sagte, dass ich ihren Vorgesetzten anrufe. Dieser antwortete und sagte, er rede mit ihnen. Danach fuhren die zwei Jungs weg.

Backup im Libanon

Ich wusste nicht ob ich weg fahren sollte und wohin, denn die Strassen waren stockdunkel und die Saudis fahren manchmal echt wie lebensmüde Idioten. Ein Freund im Libanon war online und ich fragte ihn, ob er übersetzen könne, falls die nochmals kommen. Alle Saudi Freunde waren offline und ich hatte auch nicht mehr viel Guthaben auf der SIM-Karte. Alles Einflüsse, die mich nicht weniger nervös machten.

Mein libanesischer Freund sagte er stelle sein Handy auf laut und ich könne jederzeit anrufen. Zudem lud ich Geld auf mein Skype Konto um von da telefonieren zu können. Ich speicherte alle Nummern und bereitete mich vor.

Um etwa 3 Uhr kam wieder ein Auto und ich war schon bereit. Fenster leicht geöffnet und ein genervter Blick. Es drehte direkt um und sie liessen mich in Ruhe. Um 6 Uhr wurde es hell, ich verliess den Ort und war froh, dass dies die letzte Nacht hier war.

Haql

In Haql gab es eigentlich nichts zu sehen. Mein Versuch, eine offene Toilette für Frauen zu finden, scheiterte. Plötzlich stand ein Auto neben mir und jemand fragte auf English „can we help you?“. Ich war ziemlich überrascht und fühlte mich zu erst beobachtet. Die drei Jungs sprachen aber super englisch. Sie hatten, wie viele Saudis, in Amerika studiert. Ich sollte ihnen nachfahren bis zum Palmengarten. Da war eine Toilette und sie war offen. Sie warteten ganz höflich bis ich fertig war und fuhren dann davon.

Haql Haql

Ich setzte mich in den Palmengarten welcher direkt am Meer war. Das Rote Meer im Norden an der Grenze zu Jordanien, Israel und Ägypten. Eine Katze machte mich auf die Datteln am Boden aufmerksam. Der Park war voller Dattel-Palmen. Wie cool war das denn? Bäume die ihren Besuchern Datteln schenken 🙂

Haql

Roadtrip Ende in Tabuk

Nach etwa 2’800 Kilometern musste ich das Auto am Flughafen in Tabuk zurückgeben. Zum Glück buchte ich die Option für „unlimitierte Kilometer“. Ohne diese hätte der Roadtrip in der Hälfte geendet.

Ich plante, dass ich die letzte Nacht am Flughafen in der Moschee schlafen würde. Ein Freund aus Jordanien meinte dann aber, er kenne eine palästinensische Familie aus Gaza, die in Tabuk lebte. Er hatte die Familie nie gesehen nur mit einer Tochter online Kontakt, weil sie Fragen zu Stipendien hatte. Im Auto oder am Flughafen schlafen ist in ihrer Kultur keine Option. Also quartierte die Familie mich kurzerhand bei sich ein und wir hatten einen schönen Abend mit viel selbst gemachtem (veganem) Essen.

gaza girls palästinensisches essen veganManchmal ist es mir fast peinlich, wenn die Menschen so gastfreundlich sind. Immer dann, wenn ich überlege, ob wir das in der Schweiz auch machen würden, denn ich kenne nur eine einzige Person, die das genau so handhabt. Die meisten sind viel skeptischer und egoistischer.

Saudi Arabien – Vision 2030

Saudi Arabien hatte sich vor ein paar Monaten für den Tourismus geöffnet. Was ich bis jetzt vom Land gesehen habe, hat definitiv Potenzial für eine interessante Destination.

Taif-Vision2030

Tabuk nach Amman (Jordanien)

Für die Reise nach Jordanien auf dem Landweg gab es keine verlässlichen Informationen. Der Freund in Jordanien erklärte mir, wo ich Shared Taxis nach Amman finden konnte. Der Preis war 250 Rial (ca. 70 Franken). Ein Saudi, den ich im Café getroffen hatte, kam mit mir mit und übersetzte, bis ich zwei Männern meine Nummer geben konnte und sie sagten, dass sie mich anrufen, sobald jemand anders zugesagt hatte und sie nach Amman fuhren.

Am nächsten Tag um 11 Uhr fuhren wir los. An der letzten Tankstelle vor der jordanischen Grenze mussten wir warten. Warum? Prayer-Time. As usual. Doch der jordanische Fahrer wollte unbedingt so viel Benzin wie möglich mitnehmen, weil es in Jordanien mit 80 Cent doppelt so viel kostete. Also warteten wir. Die Tankstellen sind immer bedient, das heisst, wenn Prayer-Time ist, muss man warten, bis die Arbeiter zurück sind. Danach passierten wir die Saudi Grenze ohne Probleme.

Jordanische Grenze

Die Beamten an der Jordanischen Grenze sahen das Ganze nicht so locker. Zu erst mussten sie verschiedene Anrufe tätigen, weil ich mit dem Jordan Pass einreiste und somit das Visum schon bezahlt hatte. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass jemand, der ein Visum für Jordanien brauchte, über die Landesgrenze von Saudi Arabien her einreiste.

Dann wurden mir mehrmals Fragen zu meinem Namen, Familiennamen und meinem Beruf gestellt von zwei Beamten, die kein Englisch sprachen. Irgendwann meinten sie, ich solle kurz warten. Plötzlich stand einer da, der Englisch sprach und fragte mich mit starke und bestimmter Stimme nochmals woher ich komme, was ich mache, was mein Name sei und was ich arbeite. Mehrmals. Und ob ich es beweisen könne. Nun… natürlich nicht.

Iran Visum

Irgendwann schaute er mir tief in die Augen und wollte wissen, warum ich mehrmals in den Iran reiste. „Weil ich das Land mag und Freunde da habe“, antwortete ich und erfragte noch ein paar mal nach und meinte dann: „Sind Sie sicher, dass Sie keine Journalistin sind?“. Da wurde ich etwas nervös. Natürlich bin ich keine Journalistin. Ich erklärte ihm, dass ich den Medien nicht traue und die für so viel übles in der Welt (mit-) verantwortlich seien und das einer der Gründe sei, weshalb ich mir mein eigenes Bild machen wollte.

Dann verschwand er mit meinem Pass und lies mich einige Minuten später zum Glück einreisen.


Mir ist wichtig, hier zu erwähnen, dass ich Saudi Arabien jedem als Reiseland empfehlen kann, zu 100% und ohne spezielle Vorsichtsmassnahmen. Ich wurde auf die Vorfälle mit Männern angesprochen und möchte gerne an dieser Stelle erwähnen, dass Belästigungen im Club, in der Bar, Bahn oder auf der Strasse, eklige Blicke, betatschen gegen den Willen, abpassen auf dem Weg nach Hause, usw. bei uns in Europa und auch in der Schweiz täglich und ganz speziell an Wochenenden ständig passieren! Es ist bei uns normal und wir wachsen damit auf. Bitte, nur weil ich hier von ein paar Situationen schreibe, heisst das nicht, dass das jedem und überall passiert. Im Gegenteil, diese unangenehmeren Situationen stehen in keinem Verhältnis zur Herzlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft der Menschen in Saudi Arabien. Mir war es einfach wichtig, alles zu erzählen, denn ich möchte ein ehrliches Bild meiner Reisen vermitteln. Danke für’s lesen! 

what do you think?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: